Obama hilft jungen »Illegalen« und sich
Die Wahl im Blick, lockert der USA-Präsident die Einwanderungspolitik am Kongress vorbei
US-Präsident Barack Obamas Wiederwahl im November ist alles andere als sicher, deshalb sucht er verstärkt und teils verzweifelt nach Wegen, die höchst durchwachsene Gesamtbilanz seiner ersten Amtszeit aufzubessern. Dem dient eine mutig-kontroverse Entscheidung, die Obama zum Wochenende in Washington verkündete - am Kongress, dem Bundesparlament, vorbei: Kinder und Jugendliche, die mit ihren Eltern als illegale Migranten in die USA gekommen sind, sollen ab sofort nicht mehr abgeschoben werden.
Die Neuregelung, die laut Heimatschutzministerin Janet Napolitano vorerst zwei Jahre und nur für solche Einwanderer gelten soll, die nicht älter als 30 sind bzw. zum Zeitpunkt der Einreise höchstens 16 waren, kann nach Angaben der »Washington Post« bis zu 1,4 Millionen »undocumented immigrants« betreffen. Weitere Bedingungen: Die Jugendlichen müssen mindestens fünf Jahre in den USA gelebt und eine High School oder ein College besucht haben bzw. besuchen und dürfen zudem nicht straffällig geworden sein. Ist all das gegeben, erhalten sie das Recht, sich um einen Arbeitsplatz zu bewerben, jedoch keinen Anspruch auf die USA-Staatsbürgerschaft.
Obama erklärte Freitagabend (Ortszeit) im Weißen Haus, die Regelung werde das Einwanderungssystem »fairer und effizienter« machen. Junge, talentierte Menschen, »die praktisch Amerikaner ... außer auf dem Papier« seien, hätten ein Recht, ihre Zukunft frei vom »Schatten der Abschiebung« zu planen. Den Kongress forderte er auf, seinen Entscheid dauerhaft zu machen. Sein Appell ist im Sinne des »Dream Act«, eines Gesetzentwurfs, der im Parlament bisher am Widerstand der Republikaner scheitert.
Auch Obamas jüngste Entscheidung haben die Republikaner kritisiert. Sie werfen ihm vor, illegale Einwanderer würden auf dem Arbeitsmarkt mit seiner anhaltend hohen Erwerbslosigkeit vermehrt US-amerikanischen Staatsbürgern Jobs oder die Aussicht darauf rauben. Demgegenüber begrüßen Bürgerrechtsorganisationen, Anwälte und vor allem Latino-Organisationen Obamas Schritt.
Obgleich die Anspruchsberechtigten auch künftig alle zwei Jahre ihren Status erneuern lassen müssen, weiter keine staatlichen Sozialmaßnahmen wie Medicaid bekommen können und obwohl die Maßnahme kein Ersatz für eine Gesamtreform des Bundeseinwanderungssystems darstellt - in den USA leben gegenwärtig geschätzte 11,2 Millionen Illegale -, dürfte der Präsident bei einer für die Wahl wichtigen Gruppe Punkte sammeln: In Bundesstaaten wie Florida, Texas oder Nevada gilt die Wahlhaltung der Hispanics als wahlentscheidend.
Von der Neuregelung Betroffene zeigten sich vielerorts erfreut. So rief der Collegestudent Jorge Acuna (19), als Kind mit seinen Eltern aus Kolumbien illegal in die USA eingereist und voriges Jahr beinahe abgeschoben, nach Bekanntgabe von Obamas Maßnahme einer jubelnden Menge vor dem Weißen Haus zu: »Ich danke Gott für diesen Tag. Er verändert mein ganzes Leben.« Acuna arbeitet zur Zeit an seinem Abschluss als Ingenieur. Der 20-jährige Mexikaner Victor Palafox, der in Alabama gerade die High School abschließt, sagte der »Washington Post«: »Das Erste, was sich für mich ändert, ist der Umstand, dass ich ab sofort rechtmäßig Auto fahren kann.« Obamas Entscheidung »macht aus mir wieder einen Menschen«.
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