Schluss mit Nazi-Flashmobs?

Razzia gegen Fackelträger in Brandenburg

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) hat die rechtsextremistische Vereinigung »Widerstandsbewegung in Südbrandenburg« verboten. Mehr als 200 Beamte vollstreckten seit dem frühen Dienstagmorgen das Vereinsverbot.
Die Aktivitäten der Vereinigung richteten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung. Zweck und Tätigkeit des Vereins widersprechen den Strafgesetzen, heißt es in der 60-seitigen Verbotsverfügung. Und auch, dass die Anlehnung an den Sprachgebrauch des Hitler-Regimes augenfällig sei. In der Tat, die Kameraden verstehen sich – so kann man in Blogs nachlesen – als »die letzten Fackelträger der Nation«, die »das Feuer einer Jahrtausende alten germanischen Geschichte« vor dem Verlöschen bewahren.
»Widerstandsbewegung in Südbrandenburg« – unter der Bezeichnung ist die Truppe relativ unbekannt. Erst wenn man von den »Unsterblichen« redet und an die Fackelzüge der »Spreelichter« erinnert, dämmert es vielen, dass sie schon Kontakt hatten mit den Rechtsextremisten. Deren Masche ist fast immer erfolgreich. Im Schutze der Nacht tauchen sie flashmobartig auf. Mit weißen Masken und Fackeln durchfluten sie die Straßen von kleineren Orten oder Stadtteilen. Nach einer halben Stunde – da ist die Polizeiverstärkung noch nicht einmal aus den Unterkünften abgerückt – ist der Spuk zumeist wieder vorbei.
Nicht nur in Brandenburg sind die Fackelträger aktiv. »Auftritte« nur wenige Kilometer jenseits der Brandenburger Grenzen in Sachsen sind ebenso normal wie Versuche, das Konzept nach Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern zu transferieren. Die gute Vernetzung der Truppen ist selbst für Verfassungsschützer nicht zu übersehen.
Mit den illegalen überfallartigen Aktionen vermeidet man jegliche Demonstrationsanmeldungen und -auflagen. Keine Antifa-Gruppe und schon gar nicht brav-bürgerliche Demokraten können so rasch zur Blockade antreten. Den Neonazis geht es nicht um Sympathiewerbung, sie zielen auf Emotionen, wollen Angst und Schrecken verbreiten. Die mediale Wirkung steuern sie über das Internet. Bilder und Videos sind ihre Waffen und die Websites trotz Razzia weiter unerreichbar für Woidkes Polizisten.
Nun will der Staat offenbar mit gleicher Münze zurückzahlen: »Zur Ermöglichung von Film- und Fotoaufnahmen im Zusammenhang mit der noch laufenden Aktion wenden Sie sich bitte ab sofort direkt an die Pressestelle des Polizeipräsidiums...«, bietet das Potsdamer Innenministerium an. Via Medien soll Handlungshoheit belegt werden. Man darf den Erfolg bezweifeln. So wie den der ganzen Aktion, denn ein Vereinsverbot in Brandenburg kommt nicht unerwartet für die Neonazis.
Bereits zu Jahresbeginn war die Polizei unangemeldet bei den Neonazi-Kameraden aufgetaucht. Damals durchsuchten Beamte 44 Wohnungen in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg. Man fand Masken, Fackeln, Schlagringe, Pyrotechnik, Propagandamaterial und schaute in die Computer von 41 Beschuldigten.
Nichts ist den Rechtsextremen zu schade, um es für ihre dumpfe Ideologie zu missbrauchen. So huldigen die Nazis sogar Wolfgang Amadeus Mozart. Und das nur, weil der Musiker und Komponist – 1756 in Salzburg geboren – Sprüche wie jenen hinterließ: »Was mich aber am meisten aufrichtet und guten Mutes erhält, ist, dass ich ein ehrlicher Deutscher bin.«

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -