Um die Kunsthalle geht es gar nicht

Für die günstige Gelegenheit, das Potsdamer Interhotel abzureißen, demonstrierten 250 Menschen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

In der großartigen Schlussszene des DEFA-Films »Der Untertan« ließ Regisseur Wolfgang Staudte auf die versammelten Preußenanbeter einen sintflutartigen Regen niedergehen. Die monarchistisch gestimmte Obrigkeit, der Geldadel, die feine Gesellschaft werden bei einem feierlichen Akt der Hohenzollern-Seligkeit einfach weggespült. Etwas derartiges gab es nicht am Montagabend auf dem Alten Markt in Potsdam. Der Regenschwall kam zu früh. Ein Unwetter war am späten Nachmittag über die Stadt hinweggefegt, doch als sich 250 Menschen versammelten, um den Abriss des Hotels »mercure« zu fordern, schien eine friedliche Abendsonne.

Mangels Masse mussten Professionalität und Prominenz den Bürgerwillen vorspiegeln, auf den es den Veranstaltern ankam. Mit von der Partie Fernsehmoderator Günther Jauch und Designer Wolfgang Joop. Die der Kamera entgegengereckten Plakate waren sorgfältig gestylt und unterschieden sich voneinander wie ein bunter Smartie vom anderen.

Milliardär Hasso Plattner will der Stadt Potsdam eine Kunsthalle schenken, aber er will keinen Streit darüber und die Kunsthalle deshalb dann doch lieber am Jungfernsee bauen als an der Stelle, wo sich heute das Hotel befindet. Die Gegner des alten Interhotels waren deshalb am Montagabend angetreten, um den mit Software reich gewordenen Mäzen noch umzustimmen. Sie wollen etwas, das ihnen wichtiger ist als jede Kunsthalle: Das ungeliebte Hotel elegant entsorgen. Plattner, der bei der Demonstration vorbeischaute, zeigte sich beeindruckt und versprach, sich die Sache noch mal zu überlegen: »Wenn es Lösungen für die Probleme gibt, soll es an mir nicht liegen.«

Wer in Helsinki die Finlandia-Halle anschaut, könnte sagen: Das sieht ja aus wie der in Berlin beseitigte »Palast der Republik«. Kein Wunder, beide wurde in etwa in gleicher Zeit gebaut. Der Unterschied: Niemand in Finnland käme heute auf den Gedanken, die Finlandia-Halle abzureißen, weil man heute so nicht mehr bauen würde. Aber in Potsdam soll mit dieser Begründung ein erst jüngst renoviertes Hochhaus verschwinden. Wo soll das hinführen? Da könnte man schließlich auch das UNO-Hauptquartier abreißen, weil es nicht mehr dem Geschmack entspricht. Warum soll man nicht aushalten, dass andere Zeiten ein anderes Schönheitsideal hatten?

Aber in der alten preußischen Residenz Potsdam geht es etlichen Akteuren darum, möglichst viele DDR-Relikte aus dem Stadtbild zu entfernen. Das Interhotel symbolisiert für die Nachkriegsgeneration in dieser Stadt, die im April 1945 bei einem Bombenangriff schwer zerstört wurde, ein Auferstehen aus Ruinen. Nach dem von den Faschisten verschuldeten Krieg, bei dem das barocke Stadtzentrum zu 85 Prozent vernichtet wurde, schien dieses Hotel der Wegweiser in eine neue, moderne Zeit. Natürlich kam vieles anders als erhofft, es wandelte sich auch das Schönheitsideal. Aber das Hochhaus ist nun einmal da.

Leider darf man von der aktuellen feinen Gesellschaft in Potsdam, die aus dem Westen zugezogen ist und sich mit viel Geld die Stadt erobert hat, keinen Respekt einer Generation gegenüber erwarten, mit der diese Leute nicht das Geringste zu tun haben? Die Personen, die heute den Ton angeben, werfen der DDR einerseits vor, dass sie in schweren Zeiten die ausgebrannte Ruine des Stadtschlosses abräumte, aber andererseits sorgen sie selbst dafür, dass völlig intakte Häuser verschwinden.

Die LINKE will die Kunsthalle übrigens auch, nur nicht anstelle des Hotels. Es gibt Alternativen ganz in der Nähe.

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