Konservative für den ÖBS gewinnen
Auf einer Konferenz der Hellen Panke wurden die Herausforderungen für den Arbeitsmarkt diskutiert
»Der Fachkräftemangel kann das Problem der Arbeitslosigkeit nicht lösen, er kann das Problem sogar verschlimmern«, sagt Christian Hoßbach, stellvertretender DGB-Bezirksvorsitzender Berlin Brandenburg. Er ist Teilnehmer der Podiumsdiskussion auf einer vom linksparteinahen Verein Helle Panke in Zusammenarbeit mit der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus veranstalteten Konferenz. »Verfestigte Langzeiterwerbslosigkeit und zunehmender Fachkräftemangel - die doppelte Herausforderung Berliner Arbeitsmarktpolitik aus politischer Sicht« lautet der Titel der Runde, die sich Ende vergangener Woche versammelte.
Neben dem Gewerkschafter sitzen auch Birgit Monteiro, die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, ihr Pendant bei der Linksfraktion, Elke Breitenbach, sowie der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands (DPWV), Landesverband Berlin, Oswald Menninger auf dem Podium.
Elke Breitenbach von der LINKEN hält die Qualifizierung, auch von Erwerbslosen in kleinen Betrieben für »zentral«. Der Stellenzuwachs in der Stadt habe den Berliner Arbeitslosen nichts genützt, »es kamen stattdessen hochqualifizierte Kräfte von außen, um die Stellen zu besetzen«, so Breitenbach. Vor allem fehle es an Informationen zu bereits existierenden Qualifikationsmöglichkeiten.
Oswald Menninger vom DPWV sieht es als problematisch an, dass beispielsweise in den Sozialberufen die Anforderungen immer höher geschraubt wurden. »Wir sollten darüber nachdenken, wie wir die Anforderungen so absenken können, dass auch wieder mehr Menschen diese Hürden meistern können«, sagt er. Damit meine er ausdrücklich keine »Dequalifizierung« von Sozialberufen, jedoch sollte überlegt werden wie arbeitsteilig gearbeitet werden könne, um Langzeitarbeitslosen zunächst einen Einstieg zu ermöglichen. Berufsbegleitende Qualifizierungen seien seiner Erfahrung nach »in der Praxis häufig besser« als theoretische.
Zwar könnten nicht alle Erwerbslosen auf dem ersten Arbeitsmarkt untergebracht werden, sagt Birgit Monteiro von der SPD, »allerdings gibt es Projekte, in denen Behinderte für das Auffüllen von Supermarktregalen oder die Arbeit in Archiven vermittelt werden«. Schwierig sei für viele Betroffene, dass sie nach dem Auslaufen eines Projekts in ein Loch fallen würden, gerade wenn sie schon zwei oder drei Maßnahmen absolviert hätten.
»Wir brauchen öffentliche Arbeitsmaßnahmen, weil diese Menschen das Recht auf einen Erwerb haben und sie der Gesellschaft viel bringen«, sagt Elke Breitenbach. Der von der Berliner LINKEN initiierte und von der aktuellen Rathauskoalition nicht mehr weiter verfolgte Öffentliche Beschäftigungssektor (ÖBS) sei bei weitem nicht perfekt und ausreichend gewesen, wies aber ihrer Meinung nach in die richtige Richtung.
»Wir brauchen weiter einen ÖBS, das ist doch unstrittig«, meint Menninger. Es müsse bundespolitisch gefordert werden, einen sozialpolitisch begründeten Sektor aufzubauen. Schließlich dürften die hohen Kosten der Arbeitslosigkeit in den Rechnungen nicht vergessen werden. Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung lagen diese 2011 bei 56 Milliarden Euro. »Insofern haben sinnvolle Maßnahmen durch Steuereinnahmen und gesparte Sozialausgaben eine hohe Refinanzierungsquote«, so Menninger. Gerade in den neuen Bundesländern mit hoher struktureller Arbeitslosigkeit könnte man »sogar Konservative« für einen bundespolitischen Konsens gewinnen.
Am Ende der Diskussion macht die Moderatorin, die ehemalige Sozialsenatorin und jetzige Vorsitzende der Berliner Volkssolidarität, Heidi Knake-Werner (LINKE) ihrem Ärger noch einmal Luft. »Die Realitätsferne der Politik ist unerträglich«, sagt sie.
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