Oh, Gott!

Hans-Dieter Schütt

  • Lesedauer: 2 Min.

Natürlich gibt es keine EM ohne Defizite. Noch immer fehlt der Spieler, der nach einem ungerechtfertigt zugesprochenen Elfmeter den Ball bewusst in die Wolken jagt und also freiwillig das Tor verweigert, das unverdient gewesen wäre. Zwar werden zu Beginn des Spiels Wimpel getauscht, aber keine Elf macht der anderen den Vorschlag, die gegnerische Hymne zu singen. Wann gelingt es einer Mannschaft, einen zwölften Mann ins Spiel zu schleusen? Und der Gegner merkt's, winkt aber großzügig ab: Wir gewinnen trotzdem!

»Europa bedeutet auch, dem jeweils anderen zu helfen«, sagt Frau Merkel - wann also wird der Fehlpass, häufigster und missliebigster Spielzug, endlich in den Adelsstand der völkerverbindenden Geste erhoben? Und wer will eigentlich, vor den Spielen, dieses Gehopse von Freizeitsportlern sehen, quasi André Heller im Billigsegment? Es ähnelt der Erbärmlichkeit, wenn Parteien zu Wahlzeiten unter kläglichen Sonnenschirmen krampfheiter auflachen und Luftballons und politische Programme verteilen, also gleich zwei Luftnumern auf einmal.

Über einem der Stadien ging ein arges Gewitter nieder, das TV-Bild zeigte Blatter, die gesamte FIFA- und UEFA-Funktionärstribüne. Bei solcher Szene denkt man zuerst an Korruption, dann an die Apostelgeschichte: Zwei der ersten Christen, Ananias und seine Frau Safira, hatten ein Feld gekauft und Preiswucher betrieben. Als Gott vom Betrug erfuhr, ließ er den Blitz ins Leben der Beiden hineinfahren. An diesem EM-Abend verzog sich das Gewitter. Fazitfrage: Wann hat Gott endlich Zeit, sich um sauberen Fußball zu kümmern?

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