Fenster zugemauert, Keller verschlossen
Rabiate Methoden der Luxussanierung in Moabit
»Das ist unsere schärfste Waffe!« Christoph Müller hält ein Lärmpegel-Messgerät in die Höhe. 70 Dezibel zeigt das Gerät an diesem Montag Vormittag an. 50 seien zulässig, sagt der Anwalt mehrerer Mieter im Haus Calvinstraße 21 in Moabit. Das hat es mittlerweile zu einer traurigen Berühmtheit geschafft, seit die Terrial Stadtentwicklung GmbH aus Baden-Württemberg als Eigentümerin hier auf besonders dreiste Weise versucht, die Bewohner herauszumodernisieren. Einer Mieterin wurden sogar Küchen- und Badfenster zugemauert, damit dahinter ein Neubau entstehen konnte. Als die Bewohner wegen des Bauterrors ihre Miete minderten, erhielten sie Ende vergangenen Jahres die fristlose Kündigung wegen Mietrückstands (»nd« berichtete).
Seitdem wurden sie mit Duldungs- und Räumungsklagen überzogen. Helga Brandenburger, die Rentnerin mit der Mauer vor den Fenstern, bekam sogar die Kündigung wegen »Propaganda«, weil sie die Presse informiert hatte. Doch die sechs von einstmals 15 Mietparteien halten weiter durch. Die ersten Räumungsklagen wurden abgewehrt, die Mietminderungen vom Amtsgericht Tiergarten als gerechtfertig gewertet. Und die Modernisierungsankündigung hielt das Gericht bereits in einem Fall für unwirksam. Die Modernisierungspläne des Vermieters haben es auch in sich: durch Erneuerung des Fußbodens, Wärmedämmung, Einbau von Fußbodenheizung und neuem Fahrstuhl soll sich die Kaltmiete um fast fünf Euro pro Quadratmeter erhöhen und damit verdoppeln. »Das wäre Spitze in Berlin, uns ist kein Fall bekannt, wo so zugelangt wurde«, sagt der Chef des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Und das in einem Haus, das Anfang der 60er Jahre im sozialen Wohnungsbau errichtet wurde.
Weil sie ihre Mieter auf legalem Wege nicht los wird, greift die Terrial zu immer rabiateren Methoden: Keller wurden mit neuen Türen versehen, für die die Mieter keine Schlüssel haben. Was mit ihren Sachen wurde, wissen sie nicht. Anfang Juni wurde der Aufzug ausgebaut - um ihn zu reparieren, wie es hieß. Die Bewohner vermuten ihn längst beim Schrotthändler. Und unter die Fundamente wird Beton gepresst, um sie für die Aufstockung des Gebäudes um zwei Etagen zu ertüchtigen. Was zeitweilig einen Höllenlärm verursacht.
Deshalb hat sich die Hausgemeinschaft das Messgerät geleistet und protokolliert alles fleißig. Vor Gericht hat sie eine einstweilige Verfügung erreicht, das 50 Dezibel nicht überschritten werden dürfen, andernfalls droht dem Terrial-Geschäftsführer ein Zwangsgeld von bis zu 250 000 Euro. »Vor Gericht waren die Mieter bisher an allen Fronten erfolgreich«, sagt Vetter. Was er vermisst, ist die politische Unterstützung und Sanktionen durch das Bezirksamt Mitte. Dort hebt man die Hände, das Ganze sei eine privatrechtliche Auseinandersetzung zwischen Mietern und Vermietern. Für den Umbau der Küche habe der Vermieter eine Genehmigung gehabt. Und für den Fahrstuhl brauche er erst gar keine, weil es sich um eine vorhandene haustechnische Anlage handelt, mit der er machen könne, was er will, so die Bauaufsicht.
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