Besuch im Einkaufsparadies

Viele Tschechen kaufen regelmäßig in Franken ein - die Einzelhändler der Region sind erfreut

  • Kathrin Zeilmann, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
An der bayerisch-tschechischen Grenze profitieren Einzelhändler in Städten wie Marktredwitz oder Hof von Kundschaft aus dem Nachbarland. Gefragt sind etwa: Elektrogeräte, Sportartikel, Babyausstattung und Milchprodukte.

Marktredwitz. Die Klischeevorstellung ist diese: Deutsche fahren nach Tschechien, um dort einzukaufen, weil es so schön günstig ist. Und das erst recht nach dem Wegfall der Grenzkontrollen vor fünf Jahren, schließlich ist die Fahrt seitdem noch bequemer. Der Einzelhandel im deutschen Grenzland darbt.

Doch in Marktredwitz zum Beispiel, nur wenige Kilometer von der deutsch-tschechischen Grenze entfernt, sieht man viele Autos mit tschechischem Kennzeichen. Sie parken vor dem Sportgeschäft, vor dem Babyausstatter oder im Parkhaus des Einkaufszentrums. »Auch die Supermärkte haben tschechische Kundschaft, weil Milchprodukte in Tschechien mehr kosten als bei uns«, erklärt die Marktredwitzer Oberbürgermeisterin Birgit Seelbinder (parteilos). In der Innenstadt von Marktredwitz, also mitten im vom Bevölkerungsrückgang geprägten Landkreis Wunsiedel im Nordosten Bayerns, halten sich die Leerstände in Grenzen. »Es gibt noch vergleichsweise viele inhabergeführte Läden. Es ist nicht so uniform wie in vielen anderen Fußgängerzonen«, sagt Sabine Köppel, Geschäftsführerin des Handelsverbandes in Oberfranken. Das gelte auch für Hof - eine ähnlich attraktive Einkaufsstadt für Kunden aus Tschechien.

Grenzöffnung als Chance

Inhabergeführt ist beispielsweise das Sportgeschäft von Michael Beck in Marktredwitz. Er hat sogar wegen seiner Kunden aus dem Ausland eigens tschechische Mitarbeiter eingestellt. »Wir haben gemerkt: Wir kommen nicht ran an die Leute. Und als Fachgeschäft will man beraten.« Das ist nun auch in der Landessprache möglich.

Beck betont, dass er zwischen deutschen und tschechischen Angestellten keinen Unterschied macht: »Gleiche Bezahlung, gleicher Urlaub.« Von Anfang an habe er die Grenzöffnung als Chance begriffen. Angst vor Konkurrenz hatte er nicht, gerade auf den Märkten in Tschechien würden ja doch meist nur Imitate angeboten, keine Markenware. Martin Hrdklicka ist einer der tschechischen Verkäufer im Sportgeschäft. 30 Kilometer pendelt er täglich nach Marktredwitz - »das ist kein Problem«. Er sagt: »Der Service ist hier viel besser und die Auswahl größer.« Deshalb würden seine Landsleute hier gerne einkaufen.

Auch Handelsexpertin Köppel sieht das als wichtige Gründe für das Interesse der Tschechen am Shoppen in Deutschland. »Es gibt bei uns oft ein viel breiteres Sortiment. Das nutzt der Verbraucher natürlich.« In Tschechien hätten zudem bis vor kurzem schlechtere Gewährleistungsregeln im Vergleich zu Deutschland gegolten. Das habe viele Kunden vor allem in die Elektroläden gezogen. In Zahlen messen lasse sich der Umsatzanteil der Tschechen nicht. Aber: »Der Einzelhandel profitiert, Marktredwitz und Hof sind beliebte Einkaufsstädte.« In der Region gebe es auf tschechischer Seite kaum attraktive Innenstädte, die zum Bummeln einladen. Und in den berühmten Bädern auf der tschechischen Seite sei das Preisniveau für tschechische Verhältnisse sehr hoch.

Doch auch von diesen Bädern profitiert der grenznahe Einzelhandel. André Schätzthauer, Inhaber eines Lederwaren-Geschäfts in Marktredwitz, hat immer wieder Kunden aus Russland, die in Karlsbad kuren und mit dem Taxi oder dem Mietwagen zur Shopping-Tour nach Bayern kommen. Persönlicher Kontakt, hochwertige Ware, ausführliche Beratung - das wüssten die ausländischen Kunden zu schätzen, betont er. Dass seine Marktredwitzer Kunden nach Tschechien abwanderten, habe er nie befürchtet. Da sei die Konkurrenz aus dem Internet viel größer.

Neben der Kasse liegt eine kleine Broschüre - das IHK-Wörterbuch für den Handel mit einigen tschechischen Standardsätzen. Die Einzelhändler würden sich auf ihre Kunden einstellen, lobt Köppel. »Einige versuchen sogar, Tschechisch zu lernen.«

Zweisprachige Werbung

Ein Einkaufszentrum in Marktredwitz beispielsweise begrüßt seine Kunden zweisprachig - auf Deutsch und auf Tschechisch; viele Werbebotschaften sind ebenfalls in zwei Sprachen formuliert. Handelsexpertin Köppel sagt: »Es ist doch schön, dass sich diese Beziehungen, die jahrelang durch den Eisernen Vorhang getrennt waren, wieder normalisieren.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.