Ein Runder Tisch soll's richten
Am Checkpoint Charlie gibt es wieder ein politisches Patt
Es dürften die hässlichsten Brachflächen in Berlins Mitte sein: links und rechts der Friedrichstraße, direkt am Checkpoint Charlie. Hier soll ein Museum des Kalten Krieges entstehen. Doch die Regierungsparteien im Senat können sich nicht einigen.
Ende Oktober 1961 standen sich mitten in Berlin mehrere Dutzend US- und sowjetische Panzer gegenüber: In keinem Moment war der »Kalte Krieg« so heiß wie damals am Checkpoint Charlie. Seitdem ist der einstige alliierte Kontrollpunkt in der geteilten Stadt in der ganzen Welt bekannt. Heute droht an der Friedrichstraße südlich des Stadtzentrums keine Panzerkonfrontation mehr - aber erneut ein politisches Patt.
Geht es etwa nach dem Kulturstaatssekretär André Schmitz und dem Verein Zentrum Kalter Krieg mit dem letzten DDR-Außenminister Markus Meckel (beide SPD) als Sprecher, so soll dort ein Museum des Kalten Krieges entstehen. Den vielen Hunderttausend Touristen, die jedes Jahr an den Checkpoint Charlie auf der Suche nach ein wenig »Mauerkitzel« kommen, müsse endlich ein sachgerechtes Informationsangebot gemacht werden. Die kommerzielle Vermarktung des Ortes mit fliegenden Händlern, verkleideten Soldaten und einer Barackenimitation samt benachbarter Eisdiele »Kalter Krieg« stößt seit langem auf Unbehagen in der Stadt.
»Die öffentliche Hand hat hier über Jahrzehnte versäumt, für eine qualifizierte historische Information zu sorgen«, räumt der Staatssekretär selbstkritisch ein. Doch auf das Versagen aller Berliner Regierungsparteien seit dem Mauerfall folgt nun das Patt. Denn die CDU sträubt sich auch wegen der Kosten gegen die Pläne, die bis 2016 ein rund 3000 Quadratmeter großes Museum auf mehreren Etagen eines von einem Investor geplanten Bürokomplexes vorsieht. Ob der Unternehmer allerdings die beiden hässlichen Brachflächen direkt am ehemaligen Kontrollpunkt bebauen kann, ist derzeit noch unsicher.
Die CDU, seit Herbst Koalitionspartner der SPD, favorisiert stattdessen eine Verlagerung des bislang am Stadtrand gelegenen Alliiertenmuseums an den Symbolort der Luftbrücke, den ehemaligen Flughafen Tempelhof. »Zwei Museumsstandorte, die sich mit dem Kalten Krieg beschäftigen, sind nicht erforderlich«, betont der Berliner CDU-Generalsekretär Kai Wegner.
Schützenhilfe bekommt die Partei von der Union der Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft. Ihr Bundesvorsitzender Rainer Wagner fürchtet, dass durch ein solches Museum das Schicksal der DDR-Flüchtlinge und Maueropfer an den Rand gedrängt wird, wie es seit Jahrzehnten das privat betriebene »Haus am Checkpoint Charlie« dokumentiert. Mit den vielen Touristen dürfte der auch als »Mauermuseum« bekannte Anziehungspunkt einträgliche Geschäfte machen. Historiker vermissen in der vom verstorbenen Fürsprecher von DDR-Flüchtlingen Rainer Hildebrandt aufgebauten Erinnerungsstätte die eigentlich notwendige sachgerechte Information.
Auch im Gedenkstättenbereich scheine »Konkurrenz das Geschäft zu beleben«, erklärt dazu offen Kulturstaatssekretär Schmitz. Selbst wohlmeinende Befürworter eines Museums des Kalten Krieges werden demgegenüber derzeit gar nicht müde, die Verdienste Hildebrandts zu betonen. Alle wissen, ohne dessen politisch bestens vernetzte Witwe Alexandra, der heutigen Chefin des Mauermuseums, tut sich am Checkpoint Charlie wahrscheinlich gar nichts. Wenn aber nichts geschieht, so werde »die Verwahrlosung des Checkpoint Charlie« weitergehen, fürchtet der Historiker Klaus-Dietmar Henke, der auch dem Beirat der Stiftung Berliner Mauer vorsteht.
Henke, aber auch der langjährige ZDF-Journalist (»Kennzeichen D«) und spätere Gründungsintendant des Deutschlandradio, Ernst Elitz, fordern daher nun einen »Runden Tisch«. Elitz hatte bereits vor Wochen in einem Zeitungsbericht erklärt, der Checkpoint Charlie tauge »nicht für Parteienzank«. Das »Nebeneinander« von Hildebrandts Erinnerungsstätte und einem »aufklärerischen Museum« sei ein »idealer Zusammenhang«.
Ob zu einem »Runden Tisch« aber Alexandra Hildebrandt erscheinen würde, ist allerdings mehr als ungewiss. Die Einladung zu einer ersten öffentlichen Diskussionsveranstaltung am Sonntag im BMW Guggenheim Lab nahm sie nach Auskunft der Veranstalter nicht an.
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