Tierversuche stärker kontrollieren

Piraten fordern mehr Personal für Überprüfungen und kritisieren Laborneubau

  • Lesedauer: 3 Min.
Hauptstadt der Tierversuche: Hunderttausende Mäuse werden in Berlin zu Laborzwecken gehalten.
Hauptstadt der Tierversuche: Hunderttausende Mäuse werden in Berlin zu Laborzwecken gehalten.

nd: Herr Kowalewski, in Buch entsteht derzeit für rund 25 Millionen Euro am Max-Dellbrück-Centrum (MDC) die größte Tierversuchsanlage Deutschlands. Wie bewerten Sie dieses Bauvorhaben?
Kowalewski: Das Max-Dellbrück-Centrum hat zurzeit verschiedene Standorte, an denen Forscherteams Tierversuche durchführen. Der Plan ist, alles an einem Ort zu konzentrieren. Das soll die Bedingungen für die Tiere verbessern, tut es aber nicht.

Tierschutzorganisationen haben die Zustände am MDC scharf kritisiert. Sie haben dazu mehrere parlamentarische Anfragen an den rot-schwarzen Senat gestellt. Was haben Sie dabei herausgefunden?
Es gibt keine ordentliche Kontrolldichte der Tierversuche in Berlin. Und selbst bei den wenigen Kon- trollen durch das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) wurden im Max-Dellbrück-Centrum sehr viele Verstöße festgestellt. Das fing damit an, dass das Centrum Tiere hielt, für die sie gar keine Haltungsgenehmigung hatten, dass Tiere schlecht versorgt wurden und teilweise verhungerten. Darüber hinaus kursieren weitere Vorwürfe, die sich allerdings bei den Kontrollen nicht bestätigt haben.

Was meinen Sie damit?
Das Max-Dellbrück-Centrum ist kein Unternehmen wie zum Beispiel BayerSchering, das am laufenden Band Arzneimitteluntersuchungen macht, sondern beim MDC machen verschiedene Forschergruppen diverse Experimente. Deswegen ist das Ganze dort sehr unübersichtlich. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Kon-trollen, wenn es sie überhaupt gab, eher lax durchgeführt werden.

Was wird den Tieren denn dort angetan?
Die Käfiggrößen waren wohl in vielen Fällen nicht artgerecht. Hinzu kommt, dass auch bei der Haltung katastrophale Fehler gemacht wurden. Es gab da ein Käfig voller Mäuse, die einfach verhungert sind, weil sie vergessen worden waren.

Das Max-Dellbrück-Centrum sagt, dass alle Missstände abgestellt worden seien und es keine Beanstandungen mehr gab.
Das stimmt nicht. Es gab weiter Beanstandungen und das, obwohl nach 2008 viel weniger Kontrollen stattgefunden haben. Das liegt daran, dass die Mitarbeiter für die Kontrollen selber kaum noch Zeit haben, weil sie bei steigenden Versuchszahlen mehr Zeit für die Antragsbearbeitung aufbringen müssen.

Welche Konsequenzen fordern Sie aufgrund der Missstände, einen Stopp des Neubaus?
Wir setzen unter anderem auf Klagen von Anwohnern gegen das Labor. Die setzen sich dagegen zur Wehr, dass quasi im Hinterhof eine gewaltige Tierversuchsstation entstehen soll. Tierschutzorganisationen diskutieren darüber hinaus auch andere Aktionsformen gegen das Labor. Generell ist die öffentliche Meinung stark gegen diesen Neubau. Das wird sich auch zeigen, wenn am 11. August eine große Demonstration am Standort stattfinden soll.

In Berlin werden an über 70 Orten Tierversuche durchgeführt, damit ist die Stadt bundesweit Spitze. Und nicht nur am MDC wurden Missstände in Laboren aufgedeckt.
Deshalb muss auf jeden Fall die Kontrolldichte erhöht werden. Das heißt, der Senat muss deutlich mehr Personal zur Verfügung stellen. Um das zu finanzieren, muss das Land Berlin Gebühren für diese Versuche erheben, die die Kontrollen auch finanziell abdecken. Denn bisher fließen 98 Prozent der Kosten in die Kontrollen und die Arbeit der Tierversuchskommission aus Steuergeldern.

Laut Koalitionsvereinbarung sollen Tierversuche durch den Senat eingeschränkt werden.
Ich sehe keine Trendwende. Im Gegenteil: Mit dem Laborneubau vom Max-Dellbrück-Centrum wird die Zahl der Tierversuche noch massiv ansteigen. Und von den zuständigen CDU-Senatoren Mario Czaja und Thomas Heilmann habe ich dazu noch kein Wort gehört.

Fragen: Martin Kröger

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!