Urlaub schützt vor Krise nicht
Schäuble trifft US-Minister Geithner auf Sylt / CSU streitet mit Juncker
Das Pokern in der Eurokrise geht auch in der Sommerpause weiter. Am Montagnachmittag besuchte US-Finanzminister Timothy Geithner Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in dessen Urlaub auf Sylt. Beide wollten sich auf Wunsch Geithners über die Eurokrise beratschlagen. Am Abend wollte Geithner den Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, treffen.
Beide Minister »äußerten sich zuversichtlich hinsichtlich der Reformanstrengungen in den Euro-Mitgliedstaaten«, hieß es in einer Mitteilung des Finanzministeriums. Schäuble und Geithner »betonten erneut die Notwendigkeit für die Politik, alle zur Bewältigung der Finanz- und Vertrauenskrise erforderlichen Reformschritte vereinbaren und umsetzen zu müssen«.
Spekulationen über weitere Hilfen für notleidende Euroländer wollte das Finanzministerium nicht kommentieren. Entsprechende Äußerungen von EU-Entscheidungsträgern in der letzten Woche hätten die beiden Minister »zur Kenntnis« genommen, hieß es lediglich aus dem Ministerium. Dass Schäuble seinen Urlaub für das einstündige Gespräch mit seinem US-Kollegen unterbrach, sei »nichts Unübliches«.
Unterdessen ging der Schlagabtausch zwischen europäischen und deutschen Politikern weiter. Am Montag stellte sich der luxemburgische Ministerpräsident und Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker in einem Interview mit der »Süddeutschen Zeitung« auf die Seite von EZB-Chef Mario Draghi. Dieser hatte Ende letzter Woche angekündigt, alles für die Rettung des Euros unternehmen zu wollen. Indirekt stellte er damit auch den erneuten Kauf von Staatsanleihen der Krisenländer in Aussicht. Dies wurde von der deutschen Regierung und der Bundesbank stets abgelehnt. Eurogruppenchef Juncker bestätigte nun, dass die EZB und der Eurorettungsschirm EFSF solche Staatsanleihenkäufe für den Notfall vorbereiten würden. Weiterhin kündigte er schnelle Schritte gegen die Krise an.
Kritik übte Eurogruppenchef Juncker hingegen an den Äußerungen deutscher Politiker wie Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). Dieser hatte jüngst einen Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone nahegelegt. »Nur um einen billigen innenpolitischen Diskurs zu unterstützen, sollte man den Austritt nicht mal als Hypothese behandeln«, sagte Juncker.
CSU-Politiker wie der bayrische Ministerpräsident und Parteichef Horst Seehofer griffen Juncker daraufhin scharf an: »Das war grenzwertig«, sagte Seehofer. »Manches Interview schafft erst Probleme, und dieses gehört dazu«, so Seehofer weiter. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt brachte sogar Junckers Rücktritt ins Spiel.
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