»Theater des Irrsinns«
Griechenlands Regierung stimmt das Volk auf weitere schmerzhafte Kürzungen ein
»Wir sind uns einig, dass 11,5 Milliarden Euro Einsparungen gefunden werden müssen, wir sind uns einig, dass wir zwei weitere Jahre brauchen, und wir sind sicher, dass der Weg aufwärts geht und schwierig ist«, erklärte Finanzminister Giannis Stournaras am Montagabend nach einer Runde mit den Chefs der Regierungsparteien. Tatsächlich betonten alle Gesprächsteilnehmer die Einigkeit in den »strategischen Zielen«. Evangelos Venizelos, Vorsitzender der sozialdemokratischen PASOK, merkte jedoch an, die »finanziellen Anpassungen« müssten der Tatsache Rechnung tragen, dass sich Griechenland in einer Rezession befinde, »die unglücklicherweise viel tiefer ist, als von unseren europäischen Partnern vorausgesehen wurde«. Und der Chef der Demokratischen Linken (DIMAR), Fotis Kouvelis, mahnte: »Die griechische Gesellschaft kann weitere Gewichte nicht stemmen.« Um konkrete Maßnahmen sei es in den Gesprächen nicht gegangen.
Genau die aber sind schon bekannt geworden. Für die nächsten zwei Jahre sind demnach die Kürzung aller Renten über 1400 Euro, eine Erhöhung des Renteneintrittsalters um zwei Jahre auf das 67. Lebensjahr, die Streichung des bereits gekürzten 13. und 14. Monatsgehalts im öffentlichen Dienst, die Einführung von Studiengebühren für die Jahre nach der Regelstudienzeit und die Erhöhung der Unterrichtsstundenzahl für Lehrer ohne Lohnausgleich geplant.
Im Wahlkampf hatten die derzeitigen Regierungsparteien - die »einheimische Troika«, wie die Koalition aus Nea Dimokratia, PASOK und DIMAR genannt wird - noch jede weitere Lohn- und Rentenkürzung ausgeschlossen. Von besagten 11,5 Milliarden hängt jedoch die Auszahlung weiterer Raten der Griechenland bewilligten Kredite ab. Die Kontrolleure der Gläubigertroika aus EU, IWF und EZB bleiben deswegen so lange in Athen, bis das Sparpaket geschnürt ist, kündigte IWF-Vertreter Poul Thomsen an.
Als fortgesetztes »Theater des Irrsinns« bezeichnete die Linksallianz SYRIZA die Verhandlungen der Regierungsparteien. Die »schmerzhaften und unsozialen Maßnahmen« seien bereits beschlossen, nur das Wann und Wie der Verkündung stehe noch nicht fest. Und die Kommunistische Partei KKE sagte voraus, dass die »barbarischen Maßnahmen« nicht nur während der Krise, sondern auch in einer eventuellen Phase des Aufschwungs gelten werden, »so lange das Kapital herrscht«.
Derweil wurde in der Presse wieder einmal über die einheimischen Steuerbetrüger diskutiert. Laut Nationalbank hatten knapp 600 Bürger, die im Jahre 2010 mehr als 100 000 Euro ins Ausland überwiesen, beim Finanzamt gleichzeitig ein Jahreseinkommen von null bis 5000 Euro angegeben. Der Spitzenreiter im Steuerbetrug gab zwar ein Einkommen von immerhin 25 099,50 Euro an, verschob im gleichen Jahr aber über 52 Millionen Euro auf ausländische Konten. Unklar blieb, ob es sich bei diesen Berichten erneut nur darum handelte, altbekannte Zustände anzuprangern, oder ob die Behörden diesmal auch tätig werden.
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