Das Messer war immer dabei

Anklage gegen einen schauspielenden Serientäter

  • Lesedauer: 3 Min.
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen

Es klingt ein bisschen wie Rekordversuch in einer höchst fragwürdigen Disziplin. 12. Februar: Streit auf dem Alexanderplatz unter Einsatz eines Messers. 18. Februar: Raub eines Handys und eines i-Pods mit Messergewalt. 20., 21., 22., 23., 25. und 29. Februar: Taxiüberfälle mit dem Messer. 24. Februar: Diebstahl in einem Textilgeschäft, der Verkäufer wird mit dem Messer bedroht. 29. Februar: Unter Alkohol Streit mit einem Gast in einem Café in Mitte, Schlag mit einer Glasflasche, anschließend Griff zum Messer und Stiche gegen den herbeieilenden Helfer. Resultat: zwei Schwerverletzte.

Danach war dann Feierabend und der 28-jährige Kevin B. landete hinter schwedischen Gardinen. Da sitzt er bis heute, gestern begann der Prozess wegen Körperverletzung, schweren Raubes, räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer und Widerstands gegen die Beamten, die ihn festgenommen hatten.

Kevin kam als Achtjähriger mit seinen Eltern aus dem Sudan nach Deutschland, ging hier zur Schule und erlernte den Beruf eines Konstruktionsmechanikers. Gute Voraussetzungen also, um in einer nicht-schwarzen Gesellschaft Fuß zu fassen. Doch irgendwie hat es nicht funktioniert mit Kevin. Immer wieder stand er vor Gericht, musste sich wegen Gewalttätigkeiten verantworten. Er will nichts sagen zu Beginn des Prozesses, doch wie er sich in Szene setzt, macht er es anderen schwer, Verständnis für seine Lage aufzubringen. Denn er würde sich gern als Opfer einer nicht-schwarzen Gesellschaft sehen, die ihn ohne Chancen zurückließ, die ihn faktisch zwang, seine ALG-II-Bezüge mit Gewalttaten ein wenig aufzubessern. Die Hautfarbe mag sicher eine Rolle spielen in verschiedenen Lebenssituationen, doch davon ist in seinem Auftreten wenig zu spüren. Es sieht nicht so aus, als würde er verstehen, dass er vielen Menschen Leid zugefügt und Sie in Todesangst gebracht hat. Ohne Messer scheint es bei ihm nicht zu gehen, eine Seuche, die nur schwer auszurotten ist.

Und Kevin treibt juristische Spielchen, um das Verfahren zu verkomplizieren. So bestellt er einen Dolmetscher für Englisch, weil er der deutschen Sprache angeblich nicht mächtig ist. Doch Deutsch ist seine Muttersprache, auf Englisch quält er sich ein paar Brocken aus dem Leib. In zahlreichen anderen Gerichtsverfahren und bei den Vernehmungen bei der Polizei ging es ohne Dolmetscher. Der Angeklagte spreche ausgezeichnet Deutsch und sei auch in der Lage, komplizierte juristische Probleme in Briefen an das Gericht in Deutsch zu formulieren, konstatiert der Vorsitzende Richter der 3. Großen Strafkammer. Als er die Dolmetscherin wieder nach Hause schickt, stellen die Verteidiger - ihr gutes Recht - den Antrag auf Befangenheit gegen das Gericht und Kevin scheint nun gar nichts mehr zu verstehen.

So zieht sich das Verfahren über Stunden hin, ohne dass überhaupt über das kriminelle Geschehen gesprochen werden kann. Die Verhandlung dürfte sich bis zum Ende des Jahres dahinquälen und die Strafe empfindlich ausfallen. Schon deshalb, weil Kevin offensichtlich nicht bereit ist, das Kriminelle seines Tuns zu verstehen.

Angriffe mit dem Messer scheinen groß in Mode zu kommen. Die Kriminalstatistik registriert eine Zunahme von gefährlichen Messerattacken durch Erwachsene in Berlin, währen die Messergewalt bei Kindern und Jugendlichen rückläufig ist. 2487 Messerangriffe wurden im vergangenen Jahr registriert, 120 mehr als im Jahr zuvor - wie aus einer Senatsantwort auf eine parlamentarische CDU-Anfrage hervorgeht.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.