Kunst als Reality-Show

Klosterfelde klammert unter dem Titel »Untitled« drei Wegsucher der Moderne

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 4 Min.
Drei Künstler, drei Arbeiten: Eine Ausstellung bei Klosterfelde macht deutlich, wie strittig Positionen der Gegenwartskunst sein können. »Untitled (Tea Party)« ist der Titel der gemeinsamen Schau.
Wie unterschiedlich, ja strittig Positionen der Gegenwartskunst sein können, macht eine Ausstellung bei Klosterfelde deutlich. Drei Künstler unterschiedlicher Generation zeigen dort unter dem klammernden Titel »Untitled (Tea Party)« drei Arbeiten, die eigentlich wenig gemeinsam haben und dennoch über Altersgrenzen und Auffassungen hinweg einem ähnlichen Thema nachfahnden: dem Verschwinden, dem Auflösen in der Zeit, der Feier des Moments. Mit Jahrgang 1978 ist der Amerikaner Darren Bader Jüngster des Trios, das sich nie begegnet ist. In Installationen bringt er gern scheinbar inkompatible Objekte in Kontakt und hofft so auf eine Reaktion des Betrachters, vom Erstaunen über unerwartete Zusammenklänge bis zum Befremden über groteske Realitätsferne.

Zu diesem Zweck legte er schon Räucherlachs in Orangenlimonade ein und hielt die perlend verquirlte Flüssigkeit im Foto fest. Oder er platzierte Katzen und Karnickel in gemeinsamem Atelier. Klosterfelde bietet per Computer das Bild einer Performance aus New York. Känguru und Hummer, in verschiedenen Welten lebende Tiere, posieren da vor einer Wand, umrahmt von Pflanzenkübeln. Lieber, erfährt man, hätte er diese Performance live auch in Berlin stattfinden lassen. So bleibt die Momentaufnahme einer temporären Aktion, denn in exakt dieser Konstellation wäre sie nicht wiederholbar. Bader ist sicher, dass jene Dinge, die er zusammenbringt, auch zusammenpassen: »Das sind Skulpturen, die ich mache. Finde zwei Dinge, die sich ergänzen, und voilà.« So einfach geht heute Kunst. Herkömmliche Konzepte der Wahrnehmung möchte er damit hinterfragen. Welche genau, darf jeder Besucher für sich herausfinden.

Nur fünf Jahre älter ist die Italienerin Lara Favaretto, die in den Bereichen Skulptur, Video, Performance, Fotografie arbeitet und sie bisweilen spielerisch kombiniert. Häufig verwendet sie scheinbar unnütz Gewordenes wie altes Baumaterial, entsorgte Bilder, Fundstücke und stellt sie in ungewohnte Zusammenhänge.

Zeitlich begrenzte Installationen an öffentlichen Orten sind das oder auch Mahnmale um das Verschwinden von Menschen aus dem öffentlichen Bewusstsein, ob durch Rückzug aus dem Geschäft wie im Fall des Schachchampions Bobby Fischer oder durch Tod. Aus dieser Serie der »Momentary Monuments« stammt die Stele »Homage to Thomas Grant Hadwin«. Hadwin, ein Australier mit Paranoia, fällte einen für das uralte kanadische Indianervolk der Haida heiligen Baum, wurde verurteilt, konnte indes fliehen und ist untergetaucht. Aus welchem Grund Favaretto glaubt, ihm ein Memorial setzen zu müssen: Drei Meter hoch ist ihr Quader, der an zwei Seiten aus hellem, fein gemasertem Holz, an den beiden anderen aus spiegelndem Messing besteht; obenauf liegt, kaum sichtbar, zusätzlich als natürliches Element Erde, innen findet sich ein geheimes Objekt in einer Metallbox. Hadwins gefällten Baum assoziiert das, ist durch Umgehen sinnlich erfahrbar und kommuniziert über den Spiegeleffekt mit der Umgebung wie mit dem Betrachter.

Kuriosester Kauz des Trios ist der 1942 geborene Niederländer Bas Jan Ader, der sich, Sohn eines von den deutschen Besatzern hingerichteten Ministers, mit Konzeptkunst, Performance, Film und Fotografie beschäftigt hat. Seine zahllosen dokumentierten Aktionen sollten die Grenze zwischen Leben und Kunst verwischen und zu einer Überwirklichkeit führen. So fuhr er immer wieder mit dem Rad in eine der heimatlichen Grachten, ließ sich in der bekanntesten performativen Installation, »I'm too sad to tell you«, von der Kamera weinend in einem Kurzfilm festhalten. Nur zwei Jahre später, 1972, entstand die »Tea Party«, jener kaum zweiminütige Stummfilm, der der Ausstellung bei Klosterfelde den Untertitel lieh und eine Wertigkeit ausdrückt. Wieder ist Ader sein eigener Protagonist. Durch dichtes Buschwerk kriecht er im feinen Anzug mit Binder einem weit aufklaffenden Karton entgegen, den ein Stock stützt. Formvollendet trinkt er dann auf englische Art Tee, bis der Stock wegbricht, der Karton ihn unter sich begräbt. Das Tier Mensch in der Falle, mit der es sonst andere Tiere fängt, Metapher und Plädoyer vielleicht wider unseren Umgang mit der Natur.

Wie radikal Aders Engagement für seine Haltung zur Kunst war, dafür steht seine letzte Aktion. Im Rahmen der aus drei Teilen bestehenden Performance »In Search of the Miraculous« ging er allein im leichten Segelboot von seiner Wahlheimat USA aus auf Atlantiküberquerung, wollte Fahrt und triumphale Ankunft in den Niederlanden filmen. Nach zehn Monaten wurde sein leeres Boot von einem spanischen Fischerkutter nahe Irland gefunden und nach Spanien gebracht, wo man es später stahl. Nur 33 Jahre währte das Leben dieses Verschwundenen, einer Art Vorkämpfer von Reality-Shows mit vollem Einsatz, sei es das eigene Leben.

Bis 1.9., Di.-Do. 11-18 Uhr, Klosterfelde, Potsdamer Straße 93, Charlottenburg, Telefon 283 53 05, www.klosterfelde.de
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