Hommage an die Leipziger Schule
Die Galerie Schwind stellt zum zweiten Mal »Künstler der Galerie« aus
Nahezu alles, was Rang und Namen in der DDR-Malerei hatte, ist unter Vertrag bei der Galerie Schwind. An die 20 Künstler der oberen Liga vertritt das 1989 in Frankfurt am Main gegründete Kunstunternehmen, das besondere Affinität zur Leipziger Schule entwickelte und 2004, nach dem Tod von Werner Tübke, dessen Haus in Leipzig erwarb und zum Hauptsitz der Galerie ausbaute. Blieb die Frankfurter Niederlassung als Dependance erhalten, kam 2011 als dritter Standort Berlin hinzu, im Galerieviertel an der Auguststraße. Dort geizen Geschäftsführer Karl Schwind und seine Galerieleiterin Sabine Kahra auch in der aktuellen Ausstellung nicht mit Größen, die sie vertreten. Von Plastik bis zur Kohlezeichnung reichen die Exponate, von Fritz Cremer als Doyen bis zum 1981 geborenen Markus Matthias Krüger als Junior. Sie stehen gleichsam als Überblick dessen, was die Leipziger Schule in schon dritter Generation hervorgebracht hat.
Nicht zur Leipziger Schule freilich zählt Fritz Cremer, der mit acht kleinen Bronzen beteiligt ist, vom seinem schmalgliedrigen »Römischen Mädchen II«, 1942, über den hageren, leidensvoll knienden »Geschlagenen«, 1949, bis zum selbstbewusst posenden »Stehenden Akt«, 1959, und dem massigen »Gekreuzigten«, 1964/5, mit seinen ausgerenkten Armen.
Von jenem Trio, das die Leipziger Schule in den 1970ern begründete, fehlt einzig Bernhard Heisig. Mit sechs intimen Stillleben aus gut 35 Jahren ist Wolfgang Mattheuer vertreten. Sind die Reminiszenzen an Schwarzes Meer und Kaukasus akribisch gedrängt und erinnern in ihrer Grandezza an eine Toskana-Landschaft, so nimmt der »Winterweg«, 1996, alle Farbe fort, konzentriert sich ganz auf die fahle Stimmung einer verschneiten Allee.
Vor mattem Rosa hängen Blumen ihre Blüten aus einer Kristallvase auf einem mit Strichen angedeuteten Tischtuch, die vielleicht schönste seiner Arbeiten. Barock bewegt gibt sich Werner Tübkes »Madonna von St. Michele«, 1998, auf Capri: Krüppel, Ritter und Adel ballen sich wie vernebelt in dünnem Farbauftrag und einer verzückten Darstellung vor dem Kirchenportal. Handwerklich superb.
Einen zweiten Schwerpunkt der Exposition machen die Schüler der Altmeister aus. Arno Rink, bei der Erstbewerbung fürs Studium noch abgelehnt, brilliert mit drei geheimnisvoll unterkühlten Darstellungen, alle aus den letzten Jahren. Seine »Judith« von 180 x 100 Zentimetern steht würdebewusst, in der einen Hand das Messer, in der anderen schemenhaft des Holofernes‘ Haupt.
Für Neue Sachlichkeit steht Ulrich Hachulla, dessen zwei Werke »Das Zimmer« und »Seitenstraße in N.Y.« nüchtern angelegt sind und dennoch eher fantastisch wirken in ihrer Personnage: den Schwebenden, dem Faun, der einer Theateraufführung an der Seite entsprungen scheint. Auf antik und biblisch Mythologisches hat sich Michael Triegel spezialisiert, ist mit der altmeisterlich ausgeführten Kohle-Studie zum Porträt einer Äbtissin beteiligt, einem faltig warmherzigen Antlitz unter der Ordenstracht. »Am Viadukt« und »Haltestelle I« nennt Günter Thiele seine Stadtbilder, perspektivisch korrekt, mit Menschen als Staffage.
Beeindruckt Erich Kissing durch die vielschichtig transparenten Darstellungen einer liegenden Nackten vor einem Saurier und der drei schneeweißen Grazien vor einem Kamel mit Krallenfüßen, so gemahnt Willi Sittes »Sich Stützende«, 1957, in der kraftvollen Farbigkeit und der kubistischen Zerlegung der Körperteile an Picasso; Sittes »Jüngstes Gericht der Harpyien«, 1955, mag düstere Vision künftiger Unbill sein.
Eine Entdeckung ist Markus Matthias Krüger, mit erklärten Vorbildern Mattheuer und Caspar David Friedrich. Seine Naturdarstellungen im kleinen Format vereinen bei feinstem Handwerk sensible Beobachtung mit ganz eigener, bisweilen flirrender Aufbereitung.
Bis 25.8., Galerie Schwind, Auguststr. 19, Mitte, 24 72 40 52, www.galerie-schwind.de
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