Prometheus - Dunkle Zeichen

  • Marion Pietrzok
  • Lesedauer: 5 Min.
Prometheus - Dunkle Zeichen

Sir Ridley Scott - der Name steht für »Alien« und »Blade Runner« zum Beispiel, und eine Mischung der beiden Klassiker des Science-Fiction-Films darf man in »Prometheus - Dunkle Zeichen« erwarten. Der 74-jährige Scott geht also, wie's im Alter oftmals ist, anstatt sich nach vielen weiteren Meilensteinen der Filmgeschichte wie »Thelma & Louise« oder »Gladiator« zurückzulehnen, damit vom Genre her zurück zu seinem gefeierten Karrierebeginn. Zurück-gehen heißt hier nicht zurück-bleiben, im Gegenteil. Deshalb gleich die Warnung an alle Ridley-Scott-Fans: Den folgenden Text besser nicht lesen, denn statt des jetzt vielleicht angebrachten euphorischen Tons ist das Pathos heruntergedimmt und ein unverbissener, despektierlicher angeschlagen.

In Scotts neuem Welt-Raumspektakel geht ein Forscherteam auf die Reise zu und die Suche nach den Ursprüngen menschlichen Lebens. Da, nebenbei gesagt, der Auftraggeber der Raummission eine Firma ist, Weyland Industries, vertreten durch Meredith Vickers (Charlize Theron), kann man vermuten, dass noch andere Interessen im Spiel sind.

Wir Zuschauer dürfen - aus Gründen des Spannungsbogens - natürlich der Reisegruppe etwas voraushaben: Wir wissen bereits einiges von dem, was da ganz, ganz, ganz am Anfang war. Wir sind sogar schon zu ihm hingefahren, einen Flusslauf hinauf, entgegen dem Strom, und haben auf schwindelerregendem Berggipfel den möglicherweise Urvater unserer DNA erlebt, der alsbald und reichlich ramponiert, geradezu aufgelöst in tosendem und strudelndem Wasser verschwindet. Denn er hat etwas getan, was er wohl besser hätte bleiben lassen sollen.

Diese Szenen, dieses Hinauf, Hinab, sind ein wunderschön anzusehender Filmauftakt. Poetisches und philosophisches Grundmotiv sind angeschlagen, Erich von Däniken hat durch diesen Prolog gezwinkert und auch Stanley Kubrick hat mit »2001 - Odyssee im Weltraum« heftig gegrüßt. Der Zuschauer erlebt diese Minuten, wie kann es heutzutage anders sein, in 3D. Wie in »Unsere Erde 3D« oder »Deutschland von oben 3D«. Dann geht es überwiegend zweidimensional wirkend weiter.

Im Gegensatz nun zu uns Zuschauern sind Wissenschaftler im Jahre 2089 erst durch Höhlenzeichnungen darauf gekommen, auf den Dreh- und Angelpunkt unseres Daseins: Dieser Typ mit Arno-Breker-Figur vor Tausenden Jahren musste irgendwie Kontakt gehabt haben mit etwas - unserem Schöpfer? - außerhalb der Erde. Den Weg weisen die Zeichnungen, dorthin geht nun die Reise, siehe oben.

2093 ist das Raumschiff »Prometheus« nach zwei Jahren Flug, während dem die Reisenden unter der wachenden Obhut des Androiden David (Michael Fassbender) tiefgefroren schliefen, in herrlich urwüchsiger Natur auf einem Planeten oder Mond gelandet. Es stellt sich heraus, dass nicht jedes Mitglied der kleinen Besatzung an der Wissenschaft interessiert ist, sondern, wie im Erdenleben auch, manche mehr am Geld und an anderen unsterblichen Dingen. Jedenfalls wagt sich dann eine Handvoll Leute zwecks Erkundung und Erforschung in eine Art Rundpyramide, geradezu der Bauch des Planeten, ein Alien-Organismus durch und durch, leider, wo's bald heftig und immer mehr zur Sache geht.

Augenweide ist alles, was der studierte Designer Ridley Scott an Optischem bietet. Die Raumanzüge zum Beispiel, die könnten einen tollen Modedesign-Preis gewinnen. Oder das Raumschiff, dessen Kommandozentrale sieht aus wie ein heutiger Hightech-OP-Saal im Krankenhaus (Anleihen von »Emergency Room«?), nur ist er zusätzlich bestückt mit Hologrammen, die durch Handwedeln in der Luft wundervoll leicht aufzurufen sind. Kurzum: das Raumschiff - ein Traumschiff: sehr, sehr groß und superedel. Aber es kommen im Film auch lächerlich simple Stoffeinkaufstaschen vor, in denen schnell mal dieser und jener abgerissene Schädel transportiert wird.

Man erlebt erhabene, fast religiöse Momente beim Gleiten über die Landschaft. Man sieht vielerart Bizarrerien der Natur, zu denen die Fantasie der Filmschöpfer garantiert in Gruselkabinetten naturhistorischer Museen Inspiration tankte. Und was das Nachwachsen von Monsterkreaturen betrifft - aus einem schon in nuce durchaus ekligen, kleinen Burschen entwickeln sich feuerwerkskaskadenartig immer mehr und größere schlimme Biester -, das kennen wir ja selbst von unserem eigenen Gebiss. Die Medizin verspricht uns gerade, dass spätestens 2030 das Wachsen der dritten Zähne für jedermann eine Option sein wird.

Um bei Ridley Scotts Film zu bleiben: Es ist ein Wiedersehensfest mit tollen glitschigen Alien-Mutationen, einst machten ihre Verwandten Sigourney Weaver als Ripley so viele Probleme. Diesmal kommt allerdings alles noch viel dicker! Man staunt und kann sich gar nicht satt sehen an den Viechern, und hier gar noch dazu in 3D. Im Übrigen werden Militaria-Fans auf ihre Kosten kommen: Was da so rumfährt, sieht nach Panzerspähwagen aus, aber mit viel, viel Schick. Nur die Flammenwerfer sind das Übliche.

Zu den Geräuschen ist zu bemerken: der reinste Ohrenschmaus. Das Raumschiff macht beim Landen herrlich Krach, das Wummern lässt den Kinosessel samt Insassen tüchtig erbeben. Noch lauter wird es gegen Ende, wenn ein anderes, den Forschern nicht wohlgesonnenes kosmisches Fahrzeug - von heroisch sich Opfernden ins Maschinenherz getroffen -, zu Boden schmettert. Ohrenweide ist auch, dass unter den Anzughelmen ziemlich oft gestöhnt wird. Schon bei den Liegestützen der unbehelmten Charlize Theron (die ansonsten nicht viel zu tun kriegt) hört sich das Atemauspressen an wie die akustische Schlagbegleitung bei manchem Damen-Tennis-Match.

Über die Schauspieler - nur Gutes. Michael Fassbender als sich emanzipieren wollendes Kunstgeschöpf (siehe Blade Runner) darf zwischen David Bowie und Peter O'Toole changieren. Spielt er hervorragend, auch wenn sein schöner Körper (diesmal nicht nackt wie in »Shame«, auch nicht ausgemergelt wie in »Hunger«) zum Schluss leider vom - immer noch bestens funktionierenden - Kopf getrennt wird. Noomi Rapace (schon in der Millenniums-Trilogie war zäher Körpereinsatz gefragt) lässt sich u.a. eine Art Kaiserschnitt verpassen, der die deutschen Mediziner, im Frauenaufschneiden ja Rekordhalter, glatt zu weiteren Höchstleistungen animieren dürfte. Gewiss ihrer körperlichen Fitness ist zu danken, dass sie (als Archäologin und treibende Figur der Forschertruppe) am Ende, wenn die ganze Mission so gut wie gescheitert ist, alles kaputt, auch der Geliebte hinüber, dass sie da immer noch weitermacht, sich weder in ihrem christlichen Glauben noch in ihrer anthropologischen Idee irre machen lässt. In starken Frauen liegt die Hoffnung der Welt. The (Happy) End. Fortsetzung folgt.

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