Keinen Tag länger der Pechvogel
Sebastian Brendel vergoldet starken Auftakt der Kanuten
Auf die deutschen Kanuten ist Verlass. Schon am ersten Entscheidungstag sammelten sie in vier Entscheidungen vier Medaillen. Mann des Tages aus deutscher Sicht war der Canadierfahrer Sebastian Brendel, der auf dem Dorney Lake Gold gewann. Zu Silber paddelte der Vierer der Frauen. Jeweils Bronze gab es für die Kanuten Max Hoff im Einer sowie Martin Hollstein und Andreas Ihle im Zweier.
»Ich bin jetzt Olympiasieger. Das ist das, wovon ich immer geträumt und wofür ich so viel geopfert habe«, sagte Brendel. In den vergangenen Jahren hatte er Töchterchen Hanna kaum gesehen. »Ich war immer drei Wochen weg und eine zu Hause. Das wird sich jetzt ändern.«
Seine Familie habe immer hinter ihm gestanden, so der 24-Jährige. »Noch heute morgen hat mir meine Freundin eine Videobotschaft geschickt, in der mir Hanna viel Glück gewünscht hat. So etwas motiviert natürlich«, bedankte sich Brendel bei seiner fast zweijährigen Tochter.
Vergessen waren alle Missgeschicke der Vergangenheit. Im vergangenen Jahr war Brendel im WM-Vorlauf noch das Paddel gebrochen. »Ich dachte schon, dass ich der Pechvogel des Teams bin«, sagte der Potsdamer, der vor vier Jahren in Peking nur Ersatzfahrer war. »Doch ich habe auch bei dem Paddelbruch gewusst, das eigentlich nur 2012 zählt. Das Image bin ich jetzt jedenfalls los.«
Brendel lag im Gegensatz zu den anderen deutschen Booten an diesem Tag von Anfang an in Führung und musste sich nicht auf einen Endspurt verlassen. Schon nach 200 Meter vor dem Ziel hatte er eine ganze Länge Vorsprung vor dem Rest des Feldes, so dass auch der letzte Angriff des Olympiasiegers von 2004, David Cal aus Spanien, an Brendel abprallte.
Eine andere Taktik hatte zuvor Max Hoff gewählt. Der Ausdauerspezialist aus Köln lag wie gewohnt früh weit hinten, sicherte sich dann aber mit einem tollen Schlussspurt noch Rang drei hinter dem Norweger Eirik Veras Larsen und Adam van Koeverden aus Kanada, der lange geführt hatte. »Das Rennen war unglaublich hart. Mit der Anspannung davor muss man auch erst einmal fertig werden«, sagte Hoff, der trotz seiner WM-Titel 2009 und 2010 nun auch mit Bronze zufrieden war. »Man liebäugelt vielleicht vorher mit mehr. Aber die Medaille ist großartig. Es gibt genügend andere Athleten hier, die enttäuscht sind, weil sie keine abbekommen haben.« Da hatte ihm sein Kumpel schon van Koeverden gerade auf die Schulter geklopft. Auch er war zufrieden, obwohl er 200 Meter vor dem Ziel noch klar geführt hatte, dann aber eingebrochen war. »Ich war froh, dass ich wenigstens Max noch hinter mir gelassen habe.« Dem Deutschen bleibt heute mit dem Vierer eine weitere Chance. »Wenn wir da auch eine Medaille holen, hat sich die ganze Arbeit gelohnt«, sagte Hoff.
Auch Andreas Ihle wollte seine Bronzemedaille nicht durch Zweifel mindern, ob mehr drin gewesen wäre. »Wir sind unser Rennen gefahren, genau wie wir es uns vorgenommen hatten«, sagte der Magdeburger. Gemeinsam mit Ihle hatte er in Peking vor vier Jahren noch Gold erpaddelt. »Jetzt haben wir Bronze. Das ist auch ein sehr gutes Ergebnis.« Der Endspurt des deutschen Zweiers, der zur Hälfte noch auf Platz vier gelegen hatte, kam genau richtig für Bronze. Kurz sah es so aus, als wäre noch mehr drin, »aber 50 Meter vor dem Ziel waren wir dann komplett blau«, so Hollstein. Die siegreichen Ungarn und die überraschenden Portugiesen konnten die Deutschen so doch nicht mehr einholen.
Die deutschen Frauen konnten sich im Vierer sogar über Silber freuen, obwohl die Ungarinnen die deutsche Siegesserie seit 1996 reißen ließen. Franziska Weber weinte trotzdem Freudentränen. Und selbst die erfahrene Katrin Wagner-Augustin wurde bei ihrer sechsten Olympiamedaille emotional wie selten zuvor. »Wenn man über dieses tolle Rennen redet, fängt man immer wieder an zu weinen«, sagte die Potsdamerin.
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