Unverständliche NPD-Parolen
200 Gegendemonstranten behindern in Potsdam die Sommertour der Rechtsextremen
Echte Zuhörer findet die NPD nicht. Passanten, die auf die Propaganda der Rechtsextremisten hereinfallen könnten, lassen sich am Freitagmittag auf dem Potsdamer Luisenplatz nicht blicken. Darum spricht Ronny Zasowk, NPD-Kommunalpolitiker aus Cottbus, notgedrungen zu den Gegendemonstranten, die ihn aber weder hören wollen noch verstehen können. Denn Trillerpfeifen und ein Lautsprecherwagen der Linksjugend solid erzeugen einen derart ohrenbetäubenden Lärm, dass allenfalls Wortfetzen durchdringen. Ähnlich ergeht es später dem NPD-Bundesvorsitzenden Holger Apfel, der sich - die Hände in die Hüften gestützt - bei seiner Rede mangels Alternativen ebenfalls den Gegendemonstranten zuwendet.
Die Polizei hat den Luisenplatz mittels Zäunen in zwei Dreiecke geteilt. In der einen Ecke steht der Lastwagen der NPD-Sommertour, bestückt mit vielen Lautsprechern, aus denen zunächst Geplapper vom Band dröhnt: »... Deutschland nicht Zahlmeister Europas sein ... raus aus dem Euro, zurück zur D-Mark ... wurden Sie gefragt, ob Sie Ihr Geld nach Griechenland verschenken ... Ihren Arbeitsplatz an Ausländer verlieren ...«
Ganz vorn links am Zaun steht Hala Kindelberger, Vorsitzende des Potsdamer Migrationsbeirats und Stadtverordnete der Grünen. Die angebliche Heimatliebe der Faschisten registriert sie mit Kopfschütteln. »Ich verstehe das nicht: Wie kann man Deutschland lieben und das machen?«, fragt die gebürtige Ägypterin, die seit 17 Jahren in Potsdam lebt. »Es hat niemand dem Image Deutschlands so geschadet wie die Nazis.«
Rund 200 Menschen haben sich versammelt, um den Faschisten die Stirn zu bieten. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) ist mit der Beteiligung zufrieden - angesichts der Tatsache, dass die Proteste kurzfristig organisiert werden mussten. Außerdem sei ja heute Arbeitstag. Da können viele gar nicht erscheinen. Die NPD ist trotzdem deutlich in der Unterzahl. Nicht einmal ein Dutzend Anhänger sind rund um den Laster zu zählen. Am 15. September, wenn die NPD in Potsdam aufmarschieren will, werden sicher mehr Gegendemonstranten kommen, erwartet der Oberbürgermeister. Denn dieser Termin fällt auf einen Sonnabend.
Die Stadtverwaltung konnte der NPD den Luisenplatz nicht verweigern, bedauert Jakobs. Man habe noch überlegt, ob nicht der Brunnen just an diesem Tage mal gereinigt oder das Unkraut zwischen den Pflastersteinen gezupft werden müsste. »Aber das hätte vor dem Verwaltungsgericht keinen Bestand gehabt.«
Ein Juso postiert neun lächerliche Gartenzwerge, die den Hitlergruß zeigen. Wer möchte, darf sich eine Kugel nehmen und diese Zwerge kegeln. Die Leute finden die Idee prima und amüsieren sich. Die Stimmung ist gut. Nur einmal entsteht ein wenig Unruhe, als sieben Polizisten ihre Helme aufsetzen und verdächtig zum Brandenburger Tor schlendern. Plötzlich rennen sie los. Angeblich möchten sie einen Linken schnappen, der einen Stock warf. Doch die Beamten erwischen niemanden. Der Mann ist in der Menge untergetaucht, heißt es. Von der Linksfraktion im Landtag konnte niemand kommen. Die Abgeordneten sind zur Trauerfeier für ihre verstorbene Kollegin Irene Wolff-Molorciuc in Angermünde. Dennoch sind viele Genossen vor Ort, darunter Matthias Osterburg, Schatzmeister des Landesverbandes. »Dass einzige, was die NPD-Leute hier bekommen, ist ein bisschen Aufmerksamkeit durch die Presse, aber weil wir da sind, kommen sie nicht an die einfachen Bürger ran«, findet Osterburg.
Allerdings stellt sich heraus, dass der NPD-Chef weiter entfernt immerhin doch zu verstehen ist. Die auf dem Dach des Lasters angebrachten Lautsprecher tragen seine Hetzrede über die Köpfe der Gegendemonstranten hinweg. Doch Touristen und Anwohner, die an der Straßenbahnhaltestelle in der Charlottenstraße warten, interessieren sich nicht für Apfels ewige Leier. »Dem sollte man eine Spritze in die Gusche geben«, schimpft eine alte Dame.
Oberbürgermeister Jakobs äußert die Hoffnung, dass die Neonazis »bald hier abhauen«. Kurz vor 13 Uhr ist es soweit. Der Laster zieht weiter nach Berlin-Tegel. Dort trafen 14 Neonazis auf etwa 50 Gegendemonstranten.
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