Tierversuche sind nicht sexy
250 Gegner von Laborneubau des Max-Delbrück-Centrums protestieren in Buch
Auf dem Campus in Buch plant das Max-Delbrück-Centrum (MDC) den Bau eines 24 Millionen Euro teuren Großlabors, in dem Medikamentenwirkstoffe an Tieren getestet werden sollen. Dagegen richtete sich am Samstagnachmittag der Protest von rund 250 Tierschützern. Vor dem Tor - auf beiden Seiten der Zufahrtsstraße - haben sie sich mit Transparenten und Schilder aufgestellt. »Während hinter dem Tor Würstchen gegessen werden, sterben Tiere«, kritisiert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Zeitgleich zum Protest findet drinnen ein Sommerfest statt.
Um ihrer Botschaft gegen Tierversuche Nachdruck zu verleihen, haben sich viele Demonstranten verkleidet: Eine Gruppe von Aktivisten, ganz in Grau, trägt Mäusemasken. Sie stehen in einem nachempfundenen Käfig, von denen es im sogenannten Tierhaus des MDC später 4000 Stück geben soll. Vor dem Käfig liegt eine tote Mausdarstellerin. Die Inszenierung nimmt Bezug auf einen Vorfall, bei dem nach Darstellung der Tierschützer die Mäuse in einem Käfig des MDC vergessen und in der Folge verhungert seien.
MDC-Sprecher Josef Zens weist dies zurück, lediglich eine einzelne Maus sei in Folge von falschem Futter verhungert. Es seien Maßnahmen ergriffen worden, dass sich dies nicht wiederhole. Die Veranstalter der Kundgebung sprechen hingegen von 39 Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verstößen gegen Tierschutzrichtlinien gegen das MDC. Dies sei ein Beleg dafür, dass es sich um keinen Einzelfall handele, sondern etwas grundsätzlich schief laufe.
Von der Bühne wird auch immer wieder der Senat kritisiert. Das Projekt in Buch wird aus Mitteln des Landes Berlin und des Bundes gefördert. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) habe Berlin mit insgesamt 40 Einrichtungen zur »Hauptstadt der Tierversuche« gemacht, moniert ein Vertreter des Tierschutzbundes. Das sei nicht »sexy«, sondern »beschämend«. Mit dieser Kritik stößt er auch bei einigen Mitgliedern des Abgeordnetenhauses auf offene Ohren. Claudia Hämmerling, tierschutzpolitische Sprecherin der Grünen, findet deutliche Worte. In Berlin werde jeden Tag in Forschungslaboren »getötet«, beklagt sie. »Verbraucht« lautet die aus ihrer Sicht verharmlosende Bezeichnung im Amtsdeutsch. Man müsse aber »deutlich benennen«, was bei den Tierversuchen geschehe. Die Politikerin macht sich für mehr Investitionen in die Entwicklung von Ersatzmethoden stark, bei denen auf den Einsatz von Tieren verzichtet wird. Hämmerling schlägt die Einrichtung eines Fonds zur Förderung von Ersatzmethoden vor, der sich aus den für Tierversuche zu entrichtenden Gebühren speisen soll. Solange noch Tierversuche notwendig seien, so Hämmerling, müssten diese effektiv kontrolliert, regelmäßig auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft und transparent durchgeführt werden. In allen drei Punkten bestehe Nachholbedarf. So sei das für die Kontrolle von Tierversuchen zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales mit der Aufgabe überfordert. Mit nur einer halben zur Verfügung stehenden Stelle sei eine wirksame Überwachung »schlicht unmöglich«.
Eine weitere Stimme im Abgeordnetenhaus haben die Tiere in der neu ins Abgeordnetenhaus gewählten Piratenpartei, lobt die Moderatorin auf der Bühne. Auch Thomas Sprenger, der die beiden tierschutzpolitischen Sprecher der Piraten vertritt, fordert mehr Transparenz bei Tierversuchen. Ein »gläsernes Labor« müsse her. Unternehmen, die auf Tierversuche zurückgreifen, will er im Internet an den Pranger stellen. Firmen, die ohne diese Tests auskommen, sollten beworben werden. Die Piraten würden sich zudem für die Einführung eines Verbandsklagerechts einsetzen, das es Tierschutzorganisationen ermöglichen würde, im Namen der Tiere vor Gericht zu ziehen.
Eine Gruppe Tierschützer ist unterdessen ins MDC eingedrungen, um ihren Protest direkt zum Adressaten zu bringen. Anschließend verlassen sie das Gelände wieder - ohne, dass es zu Zwischenfällen gekommen wäre.
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