Fitness für die grauen Zellen

Wer im Alter Neues lernt, bleibt geistig länger leistungsfähig

  • Angela Stoll
  • Lesedauer: 3 Min.
Senioren profitieren nur begrenzt von Denksport - eine neue Studie zeigt aber: Wer geistig aktiv bleibt, kann noch im hohen Alter erfolgreich lernen.

Vergesslich, zerstreut, begriffsstutzig - und am Ende vielleicht sogar dement: Die Vorstellung, im Alter geistig abzubauen, ist erschreckend. Umso verlockender erscheinen Gehirnjoggingprogramme, die Senioren angeblich geistig fit halten: So, wie man Muskeln im Fitnessstudio aufbauen kann, versprechen sie, die grauen Zellen durch regelmäßiges Training auf Vordermann zu bringen. Ganz so einfach lässt sich das Hirn aber nicht formen. »Man sollte keine zu hohen Erwartungen an derlei Programme haben«, warnt Florian Schmiedek vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung in Frankfurt am Main. »Das Gehirn lässt sich nicht wie ein großer Muskel trainieren.« Sinnvoller als zwanghaftes Üben ist offenbar, sich durch anspruchsvolle Hobbys geistig auf Trab zu halten.

Denksport in Form von Sudokus oder Kreuzworträtseln hat Schmiedek zufolge nur begrenzten Nutzen: In den einzelnen Bereichen kann man zwar durchaus dazulernen, doch hat das meistens kaum Auswirkungen auf den Alltag. »Wer oft Sudokus löst, wird darin Meister«, sagt Schmiedek. »Das heißt aber nicht, dass man sich auch besser merken kann, wo das Auto geparkt oder der Schlüssel deponiert ist.« Bei den meisten Spielen und Aufgaben dieser Art erlernt man nur eine bestimmte Strategie, wie der Forscher erklärt. Diese helfe aber nicht, andere Aufgaben zu lösen. Das bestätigt eine neue, mehrteilige Studie der Universität Mainz, in der die Lernleistung verschiedener Altersgruppen untersucht wurde: Nur 9 von 40 überdurchschnittlich intelligenten Senioren, die einen Monat lang intensiv Logikaufgaben trainierten, verbesserten dadurch ihr logisches Denken allgemein. »Angesichts der hohen Intelligenz der Teilnehmer hätte man da mehr erwartet«, sagt der Leiter der Studie, Andreas Fellgiebel.

Mehr als gezieltes Gehirnjogging bringt es offenbar, wenn sich ältere Menschen durch vielfältige Aktivitäten geistig und körperlich fit halten. Experten sind sich nämlich darin einig, dass Menschen, die aktiv am Leben teilnehmen, ein geringeres Risiko haben, geistig stark abzubauen. »Es gibt Hinweise, dass ein geistig aktiver Lebensstil förderlich ist«, sagt Schmiedek. Dazu kann der regelmäßige Besuch eines Literaturkreises genauso gehören wie ein Tanzkurs.

Grundlegend für die geistige Fitness ist offenbar das so genannte Arbeitsgedächtnis: Dort werden - vergleichbar mit dem Arbeitsspeicher des Computers - Informationen kurzzeitig verarbeitet. »Es ist Voraussetzung für jegliches Lernen«, sagt Fellgiebel. Offensichtlich profitieren Senioren stark davon, wenn sie ihr Arbeitsgedächtnis auf Trab halten: Bei der Mainzer Studie schnitten Teilnehmer ab 75 Jahren hinsichtlich ihrer Lernleistung genauso gut ab wie andere Altersgruppen, wenn sie ein gutes Arbeitsgedächtnis hatten. Diejenigen der über 75-Jährigen aber, bei denen es in diesem Bereich haperte, lernten viel schlechter als jüngere Teilnehmer. »Das zeigt, wie wichtig es ist, aktiv zu bleiben, wenn man in Rente ist«, betont der Neurowissenschaftler.

Das Arbeitsgedächtnis ist auch im Alltag ständig im Einsatz, etwa, wenn man Handlungen plant oder längere Gespräche führt, wie Michael Niedeggen, Neuropsychologe an der Freien Universität Berlin, erklärt. Probleme in dem Bereich äußern sich unter anderem in Konzentrationsschwächen: »Man geht zum Beispiel in die Küche, um etwas zu holen. Weil etwas anderes dazwischen gekommen ist, weiß man aber nicht mehr, was es war«, erklärt er. »Man hat sich also von seinem Plan ablenken lassen.« Einige PC-Übungen könnten diesen Bereich gut trainieren, aber auch Spiele wie Schach: »Schachspielen ist eine Arbeitsgedächtnisübung wie aus dem Lehrbuch«, sagt der Psychologe. Insgesamt kommt es der geistigen Leistungsfähigkeit zugute, wenn man das Gehirn fordert. »Man könnte zum Beispiel eine Fremdsprache oder ein Musikinstrument lernen. Alles ist gut, was neu ist und einen dazu nötigt, aus Automatismen auszubrechen«, erklärt Niedeggen.

Für sinnvoll halten Experten Tätigkeiten, die Spaß machen. Niemand muss sich dagegen durch Berge von Sudokus quälen, wenn sie ihm nicht liegen.

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