Günter Wallraff: Kratzer am Denkmal

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Journalist Günter Wallraff soll Mitarbeiter schwarz bezahlt haben, Honorare aus dem Verkauf seiner Bücher nicht ordnungsgemäß versteuert und für seine Enthüllungsgeschichten eidesstattliche Erklärungen von Zeugen verwendet haben, die über Blankounterschriften abgegeben wurden. Das jedenfalls behauptet ein ehemaliger Mitarbeiter des 69-jährigen Journalisten. Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt.

Ein Denkmal wackelt, seit in den vergangenen Tagen der »Spiegel« und die »Süddeutsche Zeitung« schwere Vorwürfe gegen Günter Wallraff erhoben haben. Schon die Anschuldigung, Wallraff habe einen Mitarbeiter jahrelang für einen Hungerlohn beschäftigt und weder Sozialabgaben noch Steuern entrichtet, wiegt schwer. Wallraff, der vor gut 35 Jahren als »Hans Esser« undercover in der Redaktion der »Bild«-Zeitung arbeitete und die skrupellosen Recherchemethoden des Boulevardblatts enthüllte, ist das lebende schlechte Gewissen der Bundesrepublik. Seine Reportagen und Enthüllungen wirkten deshalb so nachhaltig, weil Wallraff für seine Bücher in die Rollen der Entrechteten, Geknechteten, Ausgebeuteten schlüpfte. Als türkischer Arbeiter schuftete er für »Ganz unten« bis zum Umfallen unter Bedingungen, von denen das bürgerliche Milieu kaum eine Vorstellung hatte. Wallraffs Enthüllungen war ja nicht deshalb so schockierend, weil er etwas benannte, was vorher nicht bekannt war, sondern weil er es für ein Publikum tat, das eine Gesellschaft für überwunden wähnte, in der Schuhputzer und Tagelöhner ein subproletarisches Dasein fristen müssen.

Einer wie Wallraff muss aber vielleicht gerade deshalb mit Anfeindungen leben, weil schlechtes Gewissen den Wunsch weckt, nicht die Verhältnisse zu ändern, sondern jene zu brandmarken, die das Gewissen in die Welt bringen. Gelegenheiten, gegen Wallraff zurückzuschlagen, gab es in den zurückliegenden Jahren einige: Mal war es Wallraffs angebliche Zusammenarbeit mit der Stasi, mal waren es Zweifel daran, dass alle Zeilen in seinen Büchern aus seiner Feder stammen. Dem »Denkmal Wallraff« hat das bislang wenig anhaben können.

Im Gegenteil. Wallraff erlebte vor wenigen Jahren einen zweiten journalistischen Frühling. Für die Wochenzeitung »Die Zeit« schlüpfte er wieder in diverse Rollen von Randständigen dieser Gesellschaft: Er verkleidete sich als Schwarzafrikaner, zog als Obdachloser durch Köln, arbeitete - wieder einmal undercover - in einer Großbäckerei. Auch das wurde kritisiert - und die Kritik kam nicht nur von denen, die von Wallraff an den gesellschaftlichen Pranger gestellt wurden. So wird immer wieder der Vorwurf laut, Wallraff zeichne ein holzschnittartiges Bild von den Menschen, auf deren Seite er sich mit seinen Recherchen schlage.

Das alles macht die von ihm angeprangerten Missstände nicht weniger schlimm. Wenn es aber stimmen sollte, dass Wallraff für seine Reportage über die Arbeitsbedingungen in einer Großbäckerei sich eidesstattlicher Erklärungen von Angestellten dieser Firma bedient hat, für die diese Blankounterschriften gegeben haben, dann hat er nicht nur ein juristisches Problem. Seine Glaubwürdigkeit wäre in Frage gestellt.

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