Unter dem Baum des Widerstands

Klimacamp gegen die Braunkohle im alten Strombad von Cottbus

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Dienstagabend besuchte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) - »ein großer CCS-Freund, der Sonne und Wind nicht mag« - das Kunstmuseum Dieselkraftwerk in Cottbus, weiß Georg zu berichten. Mitarbeiter und Studenten der Technischen Universität Cottbus werden vor Ort sein und gegen die beabsichtigte Fusion mit der Hochschule Lausitz in Senftenberg protestieren.

Auch die Klimacamper, die ihr Zeltlager am alten Strombad in Cottbus aufgeschlagen haben, möchten die Gelegenheit nutzen. Sie planen, sich unter die Demonstranten zu mischen und gegen die Braunkohle zu agitieren. Das Vorgehen soll um 16 Uhr besprochen werden. Treffpunkt dafür ist der Baum, unter dem gerade das allmorgendliche Plenum tagt. Georg tauft das Gewächs spontan »Baum des Widerstands«.

Seit Sonnabend halten sich die Klimaschützer in dem eigentlich stillgelegten Freibad am Ufer der Spree auf. Bis zum 19. August werden sie untereinander und mit Bürgern darüber diskutieren, welche schädlichen Folgen es hat, Strom aus Braunkohle zu gewinnen. Einer der Höhepunkte wird am Freitag um 14 Uhr eine Demonstration am Kraftwerk Jänschwalde sein.

Einige Teilnehmer, darunter der Berliner Georg, sind vorher schon in dem rheinischen Klimacamp gewesen, das gerade im besetzten Hambacher Forst zu Ende ging. Ein junger Mann ist, ohne noch einmal zu Hause vorbeizuschauen, gleich von dort nach Cottbus gereist. Nun fragt er, wo er seine schmutzigen Kleider waschen kann, ob es hier in der Nähe einen Waschsalon gebe. Auch andere praktische Dinge sind zu klären: Welches der beiden Tore zum Strombad wird nachts geschlossen? Wann muss in den Zelten Ruhe herrschen? Immer wieder geht es auch um Aktionen: Wer hilft beim Plakatieren, um die Einwohner der Stadt auf das Camp aufmerksam zu machen? Wäre es nicht sinnvoll, etwas an der Zentrale des Energiekonzerns Vattenfall zu unternehmen? Der Bürokomplex ist fußläufig erreichbar.

Etwa 50 vor allem junge, aber auch etliche ältere Menschen haben sich am »Baum des Widerstands« versammelt. Es gibt aber weitere Camper, die noch bei ihren Zelten sind oder unter der Dusche stehen und erst später dazustoßen. Die Moderatorin des Gesprächs drückt beim Tagesordnungspunkt »Sonstiges« aufs Tempo. Schließlich sollten um 11 Uhr Workshops beginnen und jetzt ist es soweit.

Die Orte der Veranstaltungen heißen Grabko, Atterwasch und Kerkwitz, nach den drei Dörfern, die für den Tagebau Jänschwalde-Nord geopfert werden sollen. Aber ob es überhaupt soweit kommt? Die CCS-Technik zur Verpressung des klimaschädlichen CO2 gilt in Deutschland als nicht mehr durchsetzbar. Vattenfall hat deswegen zumindest offiziell den Neubau des Kraftwerks Jänschwalde abgeblasen und darum könnte es sein, dass in der Niederlausitz gar kein neuer Tagebau mehr aufgeschlossen wird.

Das sei eine sehr optimistische Prognose, lächelt Georg. »Faktenlage ist, was bisher passiert.« Die brandenburgische Politik habe CCS und Braunkohle immer unterstützt und sage sich auch jetzt nicht davon los. Der 27-Jährige fordert den Ausstieg aus der Braunkohle - am besten sofort. Die erneuerbaren Energien haben sich in den zurückliegenden Jahren besser als erwartet entwickelt, argumentiert er. Die Braunkohle werde eigentlich schon gar nicht mehr gebraucht. Sie behindere nur noch die Energiewende.

Wenig später läuft Pressesprecherin Mona mit einem Handy am Ohr über das Gelände. Sie erläutert per Telefon die Absichten des Zeltlagers. »Sofort aussteigen«, das sei im Hambacher Forst die Losung gewesen, im Lausitzer Klimacamp werde über den Zeitrahmen noch debattiert, verrät sie. Die brandenburgische LINKE hatte in ihrem Programm zur Landtagswahl 2009 den Ausstieg bis zum Jahr 2030 versprochen. Damit hatte die Partei die von den märkischen Umweltverbänden ursprünglich geforderte Marke noch um zehn Jahre unterboten. Diese Tatsache ist nicht allen im Klimacamp bekannt. Einige halten die Sozialisten für ausgemachte Kohlelobbyisten und wissen nicht, dass die rot-roten Koalition den Ausbau der erneuerbaren Energien beständig vorantreibt.

Dass Ministerpräsident Platzeck Wind und Sonne nicht mag, dürfte ein Gerücht sein. Kein Gerücht ist es allerdings, dass er gleichwohl an der Braunkohle hängt. Das zeigt sich am Montag noch einmal deutlich, als der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) seinen Antrittsbesuch in Potsdam macht. Nach knapp einer Stunde Gespräch lobt Altmaier, Brandenburg gehöre zu den Spitzenreitern bei der Energiewende und sei insbesondere beim Ausbau der Windenergie »sehr gut vorangekommen«. Zugleich äußert Altmaier im Einvernehmen mit Platzeck, dass fossile Energieträger wie die Kohle in den kommenden Jahrzehnten noch gebraucht werden, damit die Stromversorgung in Deutschland sicher und bezahlbar bleibe. Nach einem schnellen Ausstieg klingt das wirklich nicht.

www.lausitzcamp.info

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