Ein unbekannter Bericht
Sachsens Rechnungshof rügt die Fraktionen - angeblich
Bei Urlaubsfahrten im Auto wurde vor Erfindung des rücklehnengestützten DVD-Spielers zum Zeitvertreib bei Langeweile häufig ein Spiel gespielt, das mit einer stets gleichen Feststellung begann: »Ich sehe was, was du nicht siehst!« In der sächsischen Politik herrscht derzeit ferienbedingt ebenfalls eine gewisse Langeweile, die das Nachrichtenmagazin »Focus« mit einem ähnlichen Spiel aufzulockern suchte: »Wir wissen etwas, was sonst keiner weiß!« In der aktuellen Ausgabe schreibt das Blatt über einen Bericht des Landesrechnungshofes, der angeblich allen sechs Fraktionen Verstöße gegen die Haushaltsordnung vorwirft. Die Kassenprüfer hätten die Öffentlichkeitsarbeit unter die Lupe genommen und an der Finanzierung von Veranstaltungen und Flyern Anstoß genommen. »Wir haben Verstöße bei allen Fraktionen gefunden«, wird der Präsident Karl-Heinz Binus zitiert.
Nun steht die Behauptung im Raum, aber keiner kann sie nachprüfen: Der Bericht liegt erst in einer Rohfassung vor; fertig gestellt und dem Landtag zugeleitet wird er im Herbst. Folglich haben die Fraktionen wenig Lust zum Mitspielen, sehen sich aber dennoch zu Reaktionen genötigt. Man wolle sich an »Vorabspekulationen und Vermutungen« nicht beteiligen, erklärt Klaus Tischendorf, parlamentarischer Geschäftsführer der LINKEN. Das gebiete bereits der Respekt vor der Arbeit der Prüfer.
Andreas Jahnel, der Sprecher der Grünenfraktion, fragt polemisch, ob der »Focus« etwas wisse, was der Rechnungshof noch gar nicht wissen könne. Er verweist auf das per Gesetz klar geregelte Verfahren. Demzufolge dürfen die Kassenprüfer in den Räumen der Fraktionen zunächst Belege über Einnahmen und Ausgaben einsehen und die ordentliche Verwendung der Zuschüsse prüfen. Vor der Erstellung des Prüfberichts indes, so sehen es die Ausführungsbestimmungen vor, hat aber noch ein »Ausräumungsgespräch« zwischen Prüfern und Geprüften stattzufinden. Diese Unterredung steht zumindest im Fall von Grünen und LINKEN noch aus. Dagegen hat die SPD sie bereits hinter sich. Offenbar gingen die Meinungen auseinander. Die Fraktion will ihre Rechtsstandpunkte schriftlich an den Rechnungshof senden. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Kai Kerkhof beteuerte aber schon einmal: »Wo SPD-Fraktion draufsteht, ist auch SPD-Fraktion drin.«
Darüber, wie die Fraktionen die Zuschüsse von aktuell derzeit insgesamt 10,366 Millionen Euro akkurat verwenden, gibt es seit jeher Debatten. Zuletzt hatte der Rechnungshof im September 2009 eine »Beratende Äußerung« zum Thema vorgelegt. Damals wurden neben überhöhten Rücklagen auch eine offenbar zu unscharfe Grenzziehung bei der Öffentlichkeitsarbeit gerügt. Zulagen dürfen demnach nur für Zwecke der Fraktion, nicht aber der Parteien verwendet werden. Um Unklarheiten auszuräumen, hatten die Prüfer den Abgeordneten einen acht Punkte umfassenden Kriterienkatalog an das Herz gelegt. Unter anderem sollten Publikationen beim Bürger »den Eindruck einer werbenden Einflussnahme zugunsten einer Partei (...) vermeiden«. Die Fraktionen hatten die Kriterien indes als nicht hilfreich angesehen.
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