Das im Dunkeln sieht man doch
Hintergründe des Führungswechsels in der Linksfraktion in Brandenburg
Offiziell ist fast nichts in Erfahrung zu bringen über Kerstin Kaisers Rückzug von der Linksfraktionsspitze in Brandenburg. Doch wie es bei solchen Dingen ist: Es sickert trotzdem immer etwas durch. Wer die Gerüchte beiseite lässt, sich an glaubhafte Hinweise hält und in der Erinnerung kramt, was vor der Verkündigung des Führungswechsels am Dienstag geschah, der kann sich doch ein Bild machen.
Die Ablösung Kaisers kann keine Kurzschlussreaktion sein. Unzufriedenheit mit ihrem Führungsstil wurde schon länger geäußert. Einige fühlten sich nicht einbezogen, andere meinten, Kaiser müsse energischer agieren. Sie leite gar nicht, sondern lasse alles einfach so laufen. Es gab auch den Vorwurf, sie vernachlässige die Arbeit an einem aktualisierten Leitbild für die Zukunft Brandenburgs. Unstimmigkeiten über die politische Grundrichtung gab es aber nicht. Die Koalition mit der SPD wird in der Fraktion nicht in Frage gestellt. Dass die märkische LINKE in den Umfragen von 27 auf 20 Prozent abstürzte, nennt niemand als Grund für den Führungswechsel.
Die Vergangenheit Kaisers - sie hatte als Studentin in Leningrad dem DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS) über Kommilitonen berichtet - spielt bei dem Führungswechsel allenfalls eine unbedeutende Nebenrolle. Es wurde zwar vorsichtig gefragt, ob man auch in die Landtagswahl 2014 mit einer MfS-belasteten Fraktionsvorsitzenden geht. Anders als behauptet kümmert das den Koalitionspartner SPD aber wenig. Dort wurde nach nd-Kenntnis keinesfalls die Ablösung der Fraktionsvorsitzenden gefordert.
Tatsache ist, dass viele Abgeordnete der Linksfraktion mit Kaiser unzufrieden waren. Eine fatale Außenwirkung hätte es gehabt, wenn Kaiser bei der Fraktionswahl am kommenden Dienstag ohne Vorwarnung durchgefallen wäre. Es ist im Vorfeld der Ablösung mit vielen, aber definitiv nicht mit allen Abgeordneten gesprochen worden. Es waren auch mehrere Alternativen im Gespräch, darunter Landtagsvizepräsidentin Gerrit Große, die aber ohnehin nur noch bis zur nächsten Landtagswahl im Parlament bleiben möchte.
Christian Görke, der nun Fraktionschef werden soll, hatte anfangs erklärt, er habe keine Ambitionen. Dann ist er aber doch überredet worden. Schwer beurteilen lässt sich, was geschehen wäre, wenn Kaiser es auf eine Machtprobe hätte ankommen lassen. Hatte sie wirklich nur noch wenige Getreue an ihrer Seite oder wäre die Fraktion bei einer Kampfabstimmung in zwei gleich große Lager gespalten gewesen? Darüber gehen die Meinungen auseinander.
Jedenfalls gibt es Abgeordnete, die in doppelter Hinsicht unzufrieden sind: unzufrieden mit Kerstin Kaiser, aber auch unzufrieden mit der Art und Weise, wie sie jetzt beiseite geschoben wurde, durch Entscheidungen, die zumindest so aussehen, als seien sie im stillen Kämmerlein von einem engen Zirkel getroffen worden, selbst wenn es vorher viele Gespräche gegeben hat.
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