Geschlitzter Rochen
Ausstellung über die postmoderne Architektur im Moscheenbau in der ifa Galerie
Museumsbauten, Bahnhöfe und Stadien waren einmal. Der neue Tummelplatz postmoderner Architekten könnte in Neubauten für Moscheen liegen. Eine verblüffende Sammlung von Moscheeprojekten diversester Formen, die in der Ausstellung »Kubus oder Kuppel« in der ifa Galerie präsentiert werden, lässt diese Vermutung über die Zukunft des Bauens Gestalt annehmen.
Spektakulärstes Exemplar dieser zum Teil schon gebauten, zum Teil in einer Planungsphase befindlichen Projekte ist die Ray of Light Mosque des holländischen Büros ZEST in Dubai. Wie ein geschlitzter Rochen mutet der Baukörper an, der sich aus den Dünen erhebt und selbst das Minarett organisch integriert. Raffiniert ist auch der Umgang mit dem Reizthema der Geschlechtertrennung. Nicht baulich, sondern nur durch den Einfall des Tageslichts durch einen Schlitz (nachts durch künstliche Beleuchtung) werden die Gebetsräume getrennt.
Bevor der Besucher mit diesen Entwurfshöhen konfrontiert wird, wird er jedoch in den hiesigen Niederungen des Kulturkampfes abgeholt. Der Rundgang beginnt mit einer TV-Dokumentation des Streits um den Museumsneubau in Köln-Ehrenfeld vor drei Jahren. Eiferer für wie gegen das Projekt kommen zu Wort. Der Bau selbst, eine durchaus aparte Komposition aus gewölbten Betonschalen, die wie Rosenblätter die innere Kuppel umschließen, ist durch daneben hängende Fotos vom Rohbau präsent. Interessant ist ein Rückgriff in die Vergangenheit. Bereits Anfang der 70er Jahre realisierte der seit den 50er Jahren in München ansässige türkische Architekt Osman Edip Gürel in München-Freimann eine aus einer Spannbetonkuppel bestehende Moschee. Er applizierte damit moderne ingenieurtechnische Verfahren auf einen traditionellen Bau - und sprach diesem damit exemplarische Zeitgenossenschaft zu.
Eigenständigen Umgang mit Industriebeton bewies eine Dekade zuvor schon Gürels Kollege Cengiz Bektas in Ankara. Bektas verzichtet bei der vom Militär in Auftrag gegebenen (!) Etimesgut Camii sogar auf die vertraute Kuppelform. Das ist ein erstes Indiz für Modernisierungsströmungen im Islam, die in der Berichterstattung zu dieser Religion völlig untergehen.
Moscheen im Geiste moderner und postmoderner Architektur sind mittlerweile über den ganzen Erdball verteilt. Man darf dabei auch Missionscharakter unterstellen und diesen kritisch hinterfragen. Die Bauten selbst geben aber Hinweise auf eine beachtenswerte Transformation.
Dem Industriebau entwachsen erscheint das Islamic Centre of Albuquerque im US-Bundesstaat New Mexico. Als gebaute Kalligraphie hingegen beeindruckt das islamische Forum im Oberbayrischen Penzberg. Kubistisch gebrochen ist die Kuppel der neuen Moschee Zagreb. Die mit abstrakten Ornamenten versehene, aus Stahl und Glas gearbeitete Assyafaah-Moschee in Singapur ist ein bemerkenswertes Beispiel der technoiden Moderne. Den radikalsten Ansatz vertritt jedoch die Vanishing Mosque des New Yorker Büros Rux Design für Dubai. Sie orientiert sich an der vom kuwaitischen Planer Omar Khattab geprägten Minimaldefinition: »Eine Moschee ist ganz einfach eine Wand, die exakt nach Mekka ausgerichtet ist«. Auf eine solche Wand laufen beim Projekt von Rux Design die Laubengänge eines öffentlichen Stadtplatzes zu. Jeweils zu den Gebetszeiten verwandelt sich dieser dann in eine Freiluftmoschee.
Platz findet in der Ausstellung auch der ironische Umgang mit den Beschränkungen für den Moscheenbau in West- und Mitteleuropa. Ein Projekt des Wettbewerbs »A Mosque for Zurich«, der als Reaktion auf das Minarettverbot in der Schweiz ins Leben gerufen wurde, ist ein Büroturm mit Funktionen eines islamischen Zentrums, auf dessen Fassade die Silhouette eines Minaretts projiziert wird. Bei aller notwendiger Kritik an den missionierenden und Gewalt verherrlichenden radikalen Strömungen des Islam weist diese Architekturausstellung darauf hin, wie notwendig eine Anerkennung dieser Religion ist und wie fruchtbar ein Austausch mit ihr sein könnte.
Bis 30.9., ifa Galerie, Linienstr 139/40, Di.-So. 14 - 19 Uhr
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