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Schlammschlacht in der Linksfraktion
Christian Görke zum neuen Vorsitzenden gewählt / Kerstin Kaiser erhebt Vorwürfe
Innere Querelen haben gestern die turnusmäßige Vorstandswahl der Linksfraktion im Landtag schwer belastet. Die bisherige Fraktionsvorsitzende Kerstin Kaiser hatte in einem offenen Brief ihre Sicht auf die Dinge zu Protokoll gegeben und war dabei hart mit ihren Genossen ins Gericht gegangen. Damit beendete sie ihr Schweigen. Bis Montag hatte sie sich offiziell nicht zu den Hintergründen ihres offenkundig erzwungenen Rückzugs geäußert. Auch die Gegenseite hatte sich an ein Schweigegelübde gehalten und öffentlich keine Kommentare abgegeben. Damit war nun Schluss.
Der vormalige Parlamentarische Geschäftsführer Christian Görke wurde gestern bei einer Klausur im Inselhotel Potsdam-Hermannswerder zum neuen Fraktionschef gewählt. Er erhielt 18 Ja-Stimmen und zwei Nein-Stimmen. Vier Abgeordnete enthielten sich. Der bisherige wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, Thomas Domres, wurde mit 20 Stimmen zum neuen Parlamentarischen Geschäftsführer gewählt. Für ihn gab es zwei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen. Zu Stellvertretern des Vorsitzenden wählten die Sozialisten Kornelia Wehlan mit 83 Prozent Zustimmung und Margitta Mächtig mit 74 Prozent.
Er strebe eine starke Fraktion an, die sich erfolgreich in der Koalition mit der SPD behaupten könne und eine deutliche linke Handschrift in die Regierungsarbeit für die verbleibenden zweieinhalb Jahre einbringe, sagte der neue Vorsitzende Görke nach der Wahl. Doch kam er nicht umhin, von einer »sehr, sehr emotional geführten Aussprache« zu berichten, welche sich am offenen Brief von Kerstin Kaiser entzündet habe.
Diesem Brief zufolge hatte Kaiser bis zum 13. August, also wenige Tage vor der Fraktionswahl, die Absicht gehegt, erneut für das Amt der Fraktionsvorsitzenden zu kandidieren. Davon sei ihr an diesem Tage aber von einer Mehrheit im Fraktionsvorstand abgeraten worden. Görke habe vier Tage zuvor - »wie er mir sagte, unter Druck« - seine Bereitschaft zur Bewerbung bekannt gegeben, erklärte Kaiser. Sie stellte auch eine Presseerklärung von Landesgeschäftsführerin Andrea Johlige in Frage. Die von Johlige erwähnten »zahlreichen intensiven Gespräche … in den vergangenen Monaten« haben Kaiser zufolge »weder mit mir noch in Gremien von Fraktion und Partei stattgefunden«. Die Abgeordnete warf der Landesgeschäftsführerin »Parteisprech von gestern« vor. Und sie schrieb: »Für einen politischen Fehler halte ich, in der schwierigen Situation der Gesamtpartei überfällige Diskussionen über strategisches Profil und Aufgaben des derzeit einzigen LINKEN-Landesverbandes in Regierungsverantwortung mitten in der Legislatur mit einer Personalentscheidung an der Spitze der Fraktion lösen zu wollen.«
Ferner rügte Kaiser indirekt den früheren Landesvorsitzenden Thomas Nord und den aktuellen Landesvorsitzenden Stefan Ludwig: »Geklärt und kooperativ gestaltet werden müsste das Verhältnis von Landesverband, Fraktion und MinisterInnen, zwischen ehrenamtlich und hauptamtlich arbeitenden Genossinnen und Genossen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene, zwischen Fachleuten und Vorständen, Verwaltung und Politik ... Seit anderthalb Jahren fehlte mir für diese Zukunftsaufgaben der LINKEN auch der jeweils zuständige Landesvorsitzende als Partner.« Durch die »unsouverän vorbereitete Vorstandswahl« sei die Fraktion »belastet« worden, rügte Kaiser. Gestern fand sich niemand, der ihre Darstellung bestätigte. Der Inhalt des Briefes »wurde von der großen Mehrheit nicht geteilt«, sagte Christian Görke.
Stefan Ludwig fügte hinzu, der Wechsel sei beabsichtigt gewesen unter Einbindung von Kerstin Kaiser. »Ich bedaure, dass dies nicht gelungen ist.« Er habe zum Teil täglich mit ihr Kontakt gehabt, könne daher die Aussagen von Frau Kaiser nicht nachvollziehen, und der Landesvorstand habe sie »mit Verwunderung zur Kenntnis genommen«. Man habe ihr Brücken gebaut, über die sie nicht gehen wollte.
Angeblich, so wird getuschelt, hatte man der Fraktionsvorsitzenden drei Erklärungen mit Begründungen für ihren Rücktritt vorgelegt. Sie hätte sich demnach eine Variante auswählen können, darunter das Vorschützen gesundheitlicher Gründe.
Auf die Frage, was die Fraktion an der Arbeit von Kaiser tadelnswert gefunden habe, sagte die Abgeordnete Mächtig, der Vorsitzenden sei ob anderer Verpflichtungen zu wenig Zeit für die Leitung der Fraktion geblieben. Laut Thomas Domres haben »viele eine Vereinzelung wahrgenommen«. Für ihn sei der Brief ein Anlass, darüber nachzudenken, »wie wir zu mehr Miteinander kommen«.
Görke eröffnete, im persönlichen Verhältnis habe es Differenzen und Spannungen gegeben, die aber bewusst nicht nach außen getragen worden seien. Er unterstrich, dass Kerstin Kaiser ein wichtiges Mitglied der Fraktion bleibe, dass sich beachtliche Erfolge der LINKEN mit ihrem Namen verbinden, dass es weiterhin viele politische Gemeinsamkeiten gebe und er sich sicher sei, dass künftig eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihr möglich werde.
Kerstin Kaiser will Landtagsabgeordnete bleiben und 2014 erneut für den Landtag kandidieren.
»Die Frage nach politischem Erfolg oder Misserfolg hängt für mich nicht von Sesseln oder Karriereleitersprossen ab. Um in diesem Sinn weiterarbeiten zu können, gebietet es mir auch die Selbstachtung, weder die ›Kampfkandidatur‹ und ›Schlammschlacht‹, noch den Rückzug in Versorgungsangebote zu wählen.«
Kerstin Kaiser
»Ich will:
Eine starke Fraktion.
Eine erfolgreiche Koalition.
Eine klare linke Entwicklungslinie für Brandenburg.
Im Zentrum unserer Arbeit stehen die Haupterwartungen unserer Wählerinnen und Wähler:
Gute Arbeit - starke Wirtschaft.
Gute Bildung für alle.
Gute gesundheitliche Versorgung. Gute Lebensbedingungen für Kinder.«
Christian Görke
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