Angehobene Menschenwürde

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird begonnen, Flüchtlingen mehr Geld auszuzahlen

  • Heinz-Werner Jezewski
  • Lesedauer: 3 Min.
Bundesweit wird es einheitlich höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz geben. Bei der Umsetzung der Erhöhungen gibt es jedoch noch ein paar Probleme.

Am Dienstag teilte die rheinland-pfälzische Integrationsministerin Irene Alt (Grüne) mit, dass die Länder sich auf eine bundesweit einheitliche Regelung zur Auszahlung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz geeinigt haben. Alleinstehende Erwachsene und Alleinerziehende erhalten zukünftig 346 Euro (bislang 225 Euro), Jugendliche vom Beginn des 15. Lebensjahres 271 Euro (bislang 199 Euro). Hilfsorganisationen wie Pro Asyl empfehlen allen Asylbewerbern in Deutschland, gegen Bescheide rückwirkend bis zum 1. Januar 2011 Widerspruch einzulegen, denn es geht für sie um viel Geld.

Für Andrea Dallek, Mitarbeiterin beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, kommt diese Einigung nicht nur zu spät. Für die junge Soziologin steht fest »Das Asylbewerberleistungsgesetz gehört abgeschafft! Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass das Bundesverfassungsgericht das in seinem Urteil nicht so deutlich ausgesprochen hat.«

Keine Kontrolle der Umsetzung

Ob das Gericht dies überhaupt hätte tun können ist unklar. Die Klage, über die am 18. Juli entschieden wurde, bezog sich nur auf die Geldleistungen, die Asylbewerberinnen und -bewerber in Deutschland vom Staat beziehen. Diese, so das Verfassungsgericht ungewohnt deutlich, seien verfassungswidrig und so setzten sie konsequent die entsprechenden Paragrafen des Gesetzes außer Kraft und ordneten an, die Geldleistungen bis zu einer gesetzlichen Neuregelung am sogenannten Regelbedarf nach dem Sozialgesetzbuch zu berechnen.

Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Artikel 1 des Grundgesetzes stehe deutschen und ausländischen Staatsangehörigen gleichermaßen zu. Auf gut Deutsch, was für ALG-II-Empfänger recht ist, muss für Asylbewerber billig sein.

Über andere diskriminierende Regelungen hat das Gericht in diesem Fall nicht geurteilt, aber das Urteil macht Hoffnung, dass auch diese, und vielleicht sogar das ganze Gesetz für ungültig erklärt werden könnten.

Bis dahin aber gilt es erst einmal, die jetzt festgestellten Ungerechtigkeiten zu beseitigen, und da gibt es nicht nur in Schleswig-Holstein noch genügend Bedarf. Das Urteil kam, unglücklich für die gerade neu gewählte Landesregierung, mitten in den Sommerferien. Die Zuständigkeit für das Asylwesen war gerade vom Justiz- in das Innenministerium gewechselt. Trotzdem habe das Ministerium aber den Kommunen unverzüglich nach der Entscheidung des Gerichts vorläufige Durchführungshinweise für die erhöhten Regelsätze gegeben. Für eine Kontrolle, ob und wie diese umgesetzt werden, sieht das Ministerium derzeit keinen Bedarf.

Flüchtlingsbeauftragter ohne Infos

Teilweise ist das auch nicht notwendig. Die Städte Kiel und Flensburg haben bereits am 01. August erhöhte Summen an die Betroffenen ausgezahlt. Andere Kreise und kreisfreie Städte wollen nicht angeben, wie hoch die neuen Sätze sind und ab wann sie diese auszahlen. Für Cornelia Möhring, Bundestagsabgeordnete aus Schleswig-Holstein, ein untragbarer Zustand. »Im Kieler Landtag streiten sich die Parteien um die Höhe der Fraktionszuschüsse und gleichzeitig werden die Rechte von Menschen, die hier Asyl suchen, auf die lange Bank geschoben«, empört sich die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag.

Bei der Umsetzung in den Ländern tut Eile nun Not, geht es doch um das menschenwürdige Existenzminimum, das von der Natur der Sache her nicht durch Nachzahlungen gesichert werden kann. Für Andrea Dallek steht fest »die betroffenen Menschen brauchen das Geld jetzt sofort, eine schnelle Umsetzung des Ministerbeschlusses in den Kommunen ist dringend nötig.«

So denkt auch Torsten Döhring, Mitarbeiter des Schleswig-Holsteinischen Flüchtlingsbeauftragten Stefan Schmidt. »Es ist schade, dass das Büro des Flüchtlingsbeauftragten in dieser Angelegenheit nicht eingebunden war.« Nicht einmal die Durchführungshinweise lagen bisher in seinem Büro vor, ein für Döhring unhaltbarer Zustand. »Unsere Aufgabe ist es, den Landtag in allen Belangen von Asyl, Flucht und Zuwanderung zu beraten. Das könnten wir wesentlich effektiver erledigen, wenn wir in die Entscheidungen schon im Vorfeld eingebunden wären.«

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