Von den USA lernen, heißt Phrasen dreschen

CDU-Fraktionschefin mit eigenartigem Beitrag für ein Buch zum 20. Geburtstag der Verfassung

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Man mag ja kaum noch zählen, wie oft die Landesverfassung Brandenburgs schon ihren 20. Geburtstag beging. Nun aber ist aus diesem Anlass eine Festschrift erschienen, in der auch alle Landtagsfraktionschefs ihre Sicht auf die Dinge darlegen konnten.

Auch die CDU-Fraktionsvorsitzende Saskia Ludwig hat unter der Überschrift »Unsere Verfassung - Ausdruck des Verlangens nach Demokratie« ihren Kommentar abgegeben, einen Kommentar, der übrigens weniger Auskunft über die Landesverfassung gibt als vielmehr über die Denkweise und Vorstellungswelt der Politikerin. Denn es scheint sich ja von selbst zu verstehen, dass sie darin von »unserer« Verfassung spricht, obwohl sie sehr gut weiß, dass zwei Drittel der CDU-Fraktion 1992 der Landesverfassung nicht zugestimmt haben und eine Mehrheit sogar dagegen gestimmt hat. Unsere Verfassung? Es wäre wohl von Saskia Ludwig zu viel verlangt gewesen, auf den Umstand einzugehen, dass sich die CDU damit in einen Gegensatz zu 94 Prozent der Brandenburger gebracht hatte, denn so hoch war die Zustimmungsrate bei der sich anschließenden Volksabstimmung. Man mag darin den Grundstein sehen für eine 23 Jahre andauernde Erfolglosigkeit der märkischen CDU, die notorisch nur das bundesweit schlechteste Wahlergebnis der Partei einfahren konnte.

Hauptsächlich aber sonnt sich Frau Ludwig in ihrem Text im Licht der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776. Tatsächlich, darunter macht sie es nicht. So tönt Ludwig: »Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen werden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten bedacht werden, worunter sind Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit...« Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) konnte sich den Hinweis nicht verkneifen, dass sich diese Sprüche bestens mit 100 Jahren Sklaverei in den USA vertrugen.

In der Tat. Mit Blick auf die von Ludwig so vehement gefeierte Geburtsurkunde der bürgerlichen Demokratie lässt sich sachlich feststellen: Völkermord an den Ureinwohnern, Sklaverei und aggressiver Kolonialismus standen an der Wiege. Nachdem diese Demokratie in Nordamerika mit all ihren wohlklingenden Erklärungen eingeführt wurde, sind die Verbrechen sogar erst einmal so richtig in Gang und in Schwung gekommen. Sein Glück machen im Land der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten bedeutete, anderen Menschen Unglück bringen. Nachdem sich die Gründerväter an Phrasen von Freiheit, Demokratie und Glück besoffen geredet hatten, fuhren sie nach Hause und ließen sich dort durch Sklaven bedienen. Selbst nach der Abschaffung der Sklaverei gab es dann noch 100 Jahre gesetzlich verankerte Apartheid und rassistisch motivierte Unterdrückung in den USA. Angesichts der Angriffskriege, die dieser Staat schon im 19. Jahrhundert verübte, empfahl der Schriftsteller Mark Twain, die Sterne im Banner durch Totenköpfe zu ersetzen.

Nein, Ludwig legt nicht die abgrundtiefe Kluft zwischen diesen Phrasen und der geschichtlichen Wirklichkeit offen. Davon abstrahiert sie vollkommen. An dieser Stelle ehrlich zu sein, hätte dem Buch gut zu Gesicht gestanden und auch jenen, die sich als freiheitlich-demokratische Siegelbewahrer aufspielen. So aber ist ihr Text ein Eiapopeia, welches sich wohlig räkelt in Freiheit und Glücksstreben der Menschen in der westlichen Welt, aber taub und blind ist für die Menschen, die mit Leid und Tod für diese Herrlichkeit bezahlen mussten.

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