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Protagonisten für Europa
Kennen Sie das auch? Ein Kind, vorzüglich männlichen Geschlechts, wünscht sich ein bestimmtes, technisches Spielzeug, von dem sich aber bald herausstellt, dass es nicht altersgerecht ist. Nach einiger Zeit schmeißt es die neue Spielerei überfordert in die Ecke und macht sich zum nächsten Abenteuer auf. So ist das auch mit dem Euro. Gestern noch Lieblingsspielzeug vieler Ökonomen, auch sozialdemokratischer Provenienz; heute von manchen auf E-Bay gepostet, um gegen einen Hartwährungsblock der Exportökonomien ausgetauscht zu werden.
Machen wir uns aber nichts vor. So einfach ist auch die Sache mit der zivilisierten Trennung nicht, weder in der Liebe noch in der Politik. Und die Kunst, eine Fischsuppe in ein Aquarium zu verwandeln, ist auch an den neoliberal getrimmten Wirtschaftsunis noch nicht erfunden worden.
Die Krise der Eurozone treibt die als »Peripherie« abgewerteten Gesellschaften in den sozialen Zusammenbruch und diskreditiert damit die Idee eines zivilisierten, europäischen Miteinanders. Das beunruhigt - spät, aber immerhin - die Fachwelt in den privilegierteren Zonen des Kontinents. Millionen Existenzen wurden bereits geopfert, Staaten und Regionen zu ökonomischen und ökologischen Wüsten degradiert, Generationen die Zukunft verbaut. Im Namen einer Wirtschaftsdoktrin, die schon bei ihrem Entstehen ein Anachronismus war, und die uns heute eine, mangels sozialem Ausgleich und demokratischer Legitimation, nicht handhabbare Wirtschafts- und Währungsunion in Europa beschert.
Der Euro kann tatsächlich auseinanderfallen. Blieben die Defekte bestehen, die seinen Aufstieg und eventuellen Fall begleiten - die Überakkumulation von Finanzkapital, die Umverteilung zugunsten der großen Vermögen, die Schwächung der Realökonomien und die Handelsbilanzüberschüsse jener Staaten, die die Eurozone als Schauplatz eines Wirtschaftskriegs interpretieren - würde das nichts am Gesamtproblem ändern. Zumal im Rahmen der heutigen institutionellen Verfasstheit der EU, die neben den sozialen Interessen der Bevölkerungen, auch ihren in Volksabstimmungen ausgedrückten Willen und die Souveränität ihrer Parlamente missachtet. Man muss nicht Noam Chomskys Wort vom in Europa tobenden »Klassenkrieg« zitieren, um zu behaupten: Solange die heute vorherrschenden Interessen den Prozess der europäischen Integration dominieren, bleibt das solidarische Zusammenleben auf unserem Kontinent, mit oder ohne gemeinsame Währung, Utopie.
Das Problem wird dadurch verschärft, dass maßgebliche Teile der Eliten dazu entschlossen scheinen, Europa und die Demokratie, falls erforderlich, auf dem Altar des neoliberalen Fundamentalismus zu opfern. Dass die Bevölkerungen darauf mit einem Rückfall in Nationalismus und Völkerhass reagieren, ist möglich aber noch nicht unabwendbar. An der Linken liegt es, zum Crashkurs der Eliten eine durchdachte, politische Alternative zu präsentieren: Ein Projekt, in dessen Zentrum die Erweiterung der Demokratie steht, das auf die Verringerung der sozialen Ungleichheit, auf anständige Jobs und armutsresistente Einkommen zielt, einen solidarischen wirtschaftlichen Ausgleich zwischen den Regionen vorsieht, Investitionen in öffentliche Dienste und in ökologisch nachhaltiges Wachstum europaweit priorisiert und dazu den Finanzsektor verkleinert und öffentlicher Kontrolle unterstellt.
Ein solches Projekt muss über den heutigen, selbstreferenziellen europapolitischen Diskurs der mehr oder weniger aufgeklärten Eliten hinausgehen und sich direkt an jene Millionen europäischer Frauen und Männer wenden, um deren Gegenwart und Zukunft es geht. Sie müssen die neuen Protagonisten der europäischen Integration werden.
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