Eine durch und durch traurige Gestalt

Ehemaliger Schulreiniger wegen sexuellen Missbrauchs an zwei Mädchen angeklagt

  • Lesedauer: 3 Min.
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen

Wie viel Mitleid muss man für einen 49-jährigen Mann empfinden, dessen Lebensdaten keine hellen Momente aufweisen: Alkoholiker in der Kindheit, Lehre abgebrochen, keinen Beruf erlernt, früher Tod der Eltern, Tod eines der fünf Geschwister, von der Lebenspartnerin betrogen, von Freunden ausgenutzt und in den Ruin getrieben, drei Selbstmordversuche. Nichts lief gerade bei Rolf A., dem arbeitslosen Hartz-IV-Bezieher. Eine durch und durch traurige Gestalt.

Doch Mitleid hält sich in Grenzen. Der Mann, der seit gestern vor Gericht steht, ist des sexuellen Missbrauchs von zwei heute 14-jährigen Mädchen angeklagt. Das Geschehen in den Sommerferien 2010 in Neu-Hohenschönhausen liegt inzwischen zwei Jahre zurück. Die Mutter der Mädchen berichtete als Zeugin: Die damals zwölfjährigen Kinder besuchten regelmäßig eine Freizeitstätte, bis eine Erzieherin ihr erklärte, dass »irgendetwas mit den Mädchen nicht in Ordnung« sei. Sie würden am Nachmittag hin und wieder in eine Schule gehen, wo sie gegen Geld Reinigungsarbeiten ausführten. Das ließ bei der Mutter die Warnlampen aufleuchten. Immer wieder bohrte sie nach, bis die Mädchen gestanden: Da ist ein Reinigungsmann in der Schule, der habe sie am ganzen Körper befummelt und ihnen dafür etwas Geld gegeben.

Die Mutter ging zur Polizei, und der Täter, Mitarbeiter einer Reinigungsfirma, war schnell ausfindig gemacht. Da er bisher nicht kriminell auffällig war, blieb er bis zum Prozess auf freiem Fuß. Zu den Tatvorwürfen wollte er sich nicht äußern, dafür umso mehr über sein verkorkstes Leben. Will man ihm glauben, so hat er dreimal versucht, es sich zu nehmen.

Das erste Mal 1992, als kurz nacheinander Vater, Stiefvater, Mutter und Bruder starben. Das zweite Mal, als er für einen »Freund« und seine Baufirma Kredite unterschrieb, die Firma pleite ging und Rolf mit einem Schuldenberg von 270 000 Euro zurückblieb. Schließlich brannte seine Partnerin mit seinem »besten Freund« durch.

Beim letzten Versuch, sich von dieser Welt zu verabschieden, setzte er alles ein, war er so kannte. Er schnitt sich die Schlagadern auf, schluckte Pillen und trank einen Tabaksud, setzte sich in eine Badewanne, zündete Papier an, damit Rauch für eine Vergiftung entsteht und versank in Ohnmacht. Aufgewacht ist er in einem Krankenhaus.

Rolf hat schon ganze Heerscharen von Ärzten, Pflegern, Psychologen, Sozialarbeitern, Feuerwehrleuten und Polizisten in Atem gehalten. Nun will er herausgefunden haben, dass er wohl auch pädophile Neigungen hat und sich auch deshalb in Behandlung begeben muss. Was also tun mit einem Mann, der sein Leben nicht auf die Reihe bekommt? Besteht nicht die Gefahr, dass er noch mehr Unheil anrichtet, sollte er nach seiner wahrscheinlichen Verurteilung und dem Gefängnisaufenthalt wieder in Freiheit sein?

Es gibt Fälle, für die scheint es keine Lösung zu geben. Antidepressiva, anonyme Gesprächskreise und Krankenhausaufenthalte bringen offensichtlich wenig. Rolf bräuchte Personen an seiner Seite, die ihm dauerhaft Halt geben. Doch wer ist dazu bereit?

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