Rückkauf: Ist das Wasserglas halb voll oder halb leer?
»Wir Berliner wollen unser Wasser zurück« - in dieser erfolgreichen Formel der Berliner Wasseraktivistinnen und -aktivisten steckten von Beginn an zwei Forderungen.
Erstens: Die Berliner Bevölkerung will keine privatisierten Wasserbetriebe. Und Zweitens: Die Menschen wollen nur den Wasserpreis bezahlen, der für die Herstellung qualitativ hochwertigen Trinkwassers und der Säuberung des Schmutzwassers notwendig ist.
Mit dem Rückerwerb der RWE-Anteile bietet sich die Chance, die Berliner Wasserbetriebe wieder mit Mehrheit in die öffentliche Hand zu bekommen. Ein Sieg der Berliner Bevölkerung, möchte man meinen, denn es waren über 666 000 Berlinerinnen und Berliner, die dem Volksentscheid »Unser Wasser« zugestimmt haben.
Der Rückerwerb der RWE-Anteile, so wie ihn der Senat jetzt beschlossen hat und wie ihn das Parlament bald beschließen soll, ist eine Mogelpackung: Im Jahr 1999 haben RWE und Veolia eine stille Beteiligungsgesellschaft mit dem Namen RVB gegründet, über die sie als private Gesellschafter ihre Interessen gegen das Land Berlin durchsetzten, flankiert von den Bestimmungen des Konsortialvertrages und seinen Anlagen. In diese Gesellschaft will sich das Land Berlin nun einkaufen, für die Anteile werden 618 Millionen Euro bezahlt. Mit Nebenkosten beläuft sich die Gesamtsumme auf 654 Millionen Euro.
Was bedeutet dies für die Berliner Wasserkundinnen und -kunden?
Senator Nussbaum erklärt den erstaunten Berlinerinnen und Berlinern, dass sich dieser Rückkauf »aus sich selber heraus« finanziert. Damit meint er, dass er über einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren den Gewinnanteil, der RWE zugestanden hätte und der nun in seine Kassen fließt, zur Rückzahlung dieses Kredites verwenden will. Was er den Berliner WasserkundInnen aber verschweigt: Die Wasserpreise müssen deshalb auf dem heutigen Niveau - missbräuchlich zu hoch, sagt das Bundeskartellamt - bleiben, und sie werden in Zukunft noch weiter steigen müssen: Sein Konzept zeigt schon in den nächsten 15 Jahren einen Tarif von über 6 Euro/Kubikmeter Mischwasser auf, wenn die Absenkung - erzwungen durch das Bundeskartellamt bis 2015 - durchschritten ist. Der Berliner Senat nennt diese Zeit »Stresstest«.
Ist das ein guter Deal für das Land Berlin und seine Wasserkundinnen und -kunden?
Die Folgen dieses Rückkaufs sind also weiterhin missbräuchlich überhöhte Wasserpreise. Und zwar auf lange Zeit - mindestens für die nächsten 30 Jahre. Das danken wir besonders der SPD.
Es sei denn, das Land verzichtet auf die Gewinne seines 50 prozentigen Anteils, die in den Landeshaushalt fließen. Das wäre ja möglich. Aber wer kann sich das vorstellen angesichts des Schuldenbergs von 65 Milliarden Euro, die das Land auch wegen des Bankenskandals vor sich her schiebt. Diesen verdanken wir ja besonders der CDU, aber auch der SPD.
Es bleibt, was zu erwarten war: Mit der großen Koalition hat sich an der Beutegemeinschaft aus Land Berlin und Privaten gegenüber den Berliner Wasserkundinnen und -kun- den nichts geändert. Ein Teil der Wasserbetriebe bekommt das Land Berlin zurück - die hohen Wasserpreise aber bleiben. Wie nennt man solche Siege?
Heidi Kosche (Grüne) ist Abgeordnete im Berliner Landeparlament und Vertrauensperson des erfolgreichen Volksentscheids zum Wasser.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.