Strafe für Sterbehilfe

Kabinett billigt umstrittenen Gesetzentwurf

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 2 Min.
Das schwarz-gelbe Regierungskabinett hat gestern den äußerst kontrovers diskutierten Gesetzentwurf zur Sterbehilfe gebilligt. Danach soll sich künftig strafbar machen, wer Menschen gewerbsmäßig beim Selbstmord unterstützt.

Drei Jahre Gefängnis oder Geldstrafen könnten künftig denjenigen erwarten, der mit Beihilfe zum Suizid Geld verdient. Die gewerbliche Förderung der Selbsttötung wird demnächst unter Strafe stehen, wenn dieser Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium das Parlament wie geplant passiert.

Von Anfang an war der Gesetzentwurf heftig umstritten. Ärzte, Hospizstiftung und Kirchen protestierten. Ihnen missfiel die Passage, in der Angehörige und nahestehende Menschen des Suizidwilligen - auch, wenn sie Ärzte sind - für ihre Hilfe nicht bestraft werden sollen. Die Ärzteschaft betrachtet es als ihre Aufgabe, Leben zu retten. Ihr größter Teil fürchtet wie Ärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery, die neuen Regelungen könnten als Rechtsgrundlage für Ärzte als Sterbehelfer dienen. Die Deutsche Hospiz Stiftung kritisierte, das Gesetz schaffe gefährliche Freiräume und stärke die Befürworter der Hilfe zur Selbsttötung. »Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass jetzt schnell der Ruf nach Zulassung von tödlichen Medikamenten laut wird«, sagte Geschäftsführer Eugen Brysch. Es sei offenbar politischer Wille der Justizministerin, Tötung auf Verlangen zu legalisieren, sagte er. Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, meint, dass es kein Geschäft werden dürfe, Menschen zu Tode zu bringen. »Wie wollen Sie definieren, wann ein nahes Verhältnis zwischen Arzt und sterbendem Patienten besteht?«, fragt er. Zeitungen zufolge hatte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) als Reaktion auf die bereits vor dem Vorlegen des Gesetzentwurfes laut gewordene Kritik sämtliche Beispiele für ein nahestehendes Verhältnis aus dem Text entfernen lassen. Ärzte und Pflegekräfte kommen anders als im ursprünglichen Referentenentwurf in dem gestern gebilligten Papier nicht mehr vor. Bereits vor längerer Zeit war gemunkelt worden, dass dieses Werk ohnehin nicht zu den von der Justizministerin bevorzugten Projekten gehörte.

Nicht weit genug geht das Gesetz hingegen den Sterbehilfebefürwortern. Die Praxis werde zeigen, ob es ausreicht, verzweifelte Schwerstkranke von Affekthandlungen oder einer unwürdigen Flucht ins Ausland abzuhalten, sagte die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben, Elke Baezner. Der Staat habe keinen Lebensschutzauftrag mehr, wenn ein Bürger aus freien Stücken und trotz Hilfsangeboten sein Leben nicht mehr geschützt haben will, erklärte Erwin Kress, Vizepräsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands.

In Deutschland nahmen sich im letzten Jahr über 10 000 Menschen das Leben, rund 1000 warfen sich vor einen Zug. Ein Teil nutzte die Möglichkeiten ausländischer Sterbehilfeorganisationen wie der Dignitas in der Schweiz.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.