»Deine Mutter baut Atombomben«

»Stop the Bomb« warnt vor Kriegsplänen Irans und verbreitet dabei selbst Kriegspropaganda

  • Fabian Köhler
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Kampagne »Stop the Bomb« gibt sich als überparteiliches Bündnis mit dem Ziel, auf friedlichem Wege die atomare Bewaffnung Irans zu verhindern. Doch verstärkt rufen ihre Protagonisten selbst zum Krieg und bestimmen zunehmend die Iran-Debatte in Deutschland.

Deutlicher kann ein Nein nicht klingen. »Zu Stop the Bomb sagen wir nichts!« »Auch nicht anonym«, endet wieder ein Telefongespräch. Einmal ist es der Vertreter eines persischen Kulturvereins, ein anderes Mal ein deutscher Unternehmensberater oder ein iranischer Gebrauchtwagenverkäufer, der schnell wieder auflegt: Aus Angst vor einer Gruppe, die dem Frieden verpflichtet zu sein scheint.

Es fällt schwer, die vor fünf Jahren in Österreich gestartete Kampagne als bedrohlich wahrzunehmen. »Unterstützung für Menschenrechte und eine säkulare Demokratie« steht auf ihrer Webseite. Sie warnt vor dem iranischen Atomprogramm und verlangt schärfere Sanktionen gegen das Land. Einen Klick weiter werben die Hamburger Schauspielerin Iris Berben und Stuttgart-21-Vermittler Heiner Geißler mit ihren Namen für das Projekt. Manchmal sieht man Unterstützer von »Stop the Bomb« auf Demonstrationen. Dann weht neben der Israel- die Regenbogenfahne, das Symbol der Friedensbewegung.

»Aber nennen Sie meinen Namen nicht«, nennt eine deutsch-iranische Geschäftsfrau ihre Bedingungen. »Stop the Bomb« kenne sie, sagt sie. »Leider!« Frau S. hat einmal an einer Veranstaltung zum iranischen Gesundheitssystem teilgenommen. Damals klingelte zuhause unablässig ihr Telefon. Mehrere Männer standen zeitgleich erst vor ihrer Wohnungstür und dann vor ihrer Tochter. »Sie bedrängten sie, sie ins Haus zu lassen«, erzählt Frau S. Beweise, dass die Männer mit »Stop the Bomb« in Kontakt standen, hat sie keine. Doch was sie ihrer Tochter erzählten, war derselbe unbegründete Vorwurf, der sie tags zuvor in einem Fax von »Stop the Bomb« erreicht hatte: Sie würde in Iran Atomwaffen bauen.

»Nicht unser Stil«, weist »Stop the Bomb«-Sprecher Jonathan Weckerle die Vorwürfe zurück. Man setze auf öffentlichkeitswirksame Kampagnen und habe damit unter anderem Auftritte des iranischen Botschafters in Deutschland dauerhaft verhindern können. Als Erfolg will er dies nicht verstanden wissen. Zu groß sei die Bedrohung des »weltweit revolutionären Programms« Irans.

Diffamierung statt Aufklärung

»Alles deutet darauf hin, dass Iran nach Atomwaffen strebt«, ist Weckerle überzeugt. Da seien sich alle westlichen Geheimdienste einig. Doch gerade diese widersprechen der proklamierten Gewissheit von »Stop the Bomb«. Bis heute gebe es keine handfesten Beweise dafür, dass Iran Atomwaffen entwickelt, sagte erst im Januar dieses Jahres James R. Clapper vor dem amerikanischen Senat. Clapper ist Direktor aller 16 US-amerikanischen Geheimdienste. Über 20 ähnliche Erwähnungen zählte der Hamburger Politikwissenschaftler Mahmoud Ayad in den Berichten der Internationalen Atomenergieorganisation. Weckerle verunsichert das nicht: Eine UN-Organisation sei eben gezwungen, diplomatisch zu formulieren, sagt er.

Der Politikwissenschaftler ist einer der Wenigen, die öffentlich »Stop the Bomb« repräsentieren. Die ganze Kampagne basiere lediglich auf drei bis vier Personen, sagt der Berliner Anwalt Eberhardt Trempel. Auf anonymen Webseiten verbreite »Stop the Bomb« Fehlinformationen und diskreditiere missliebige Personen. Eine von ihnen ist sein Mandant Kourosh Pourkian, Präsident des »Bundes Iranischer Unternehmen in Hamburg«. Leute wie er sind es, gegen die sich die Kampagne hauptsächlich richtet. Pourkian war im Jahr 2010 beteiligt an der Planung einer deutsch-iranischen Begegnungsstätte. Mit Atomwaffen hat Pourkian ebenso wenig zu tun wie Frau S. »Stop the Bomb« störte, dass in das »Iran-Haus« neben deutschen auch iranische Fördergelder fließen sollten.

Als sich Pourkian vor zwei Jahren mit anderen Unternehmern in einem Hamburger Tagungshotel traf, demonstrierten draußen Aktivisten von »Stop the Bomb«. Auf einem Transparent bezeichneten sie die Anwesenden als »Ahmadinedschads Schlächter«. Immer wieder forderten sie den Hotelbetreiber auf, die Veranstaltung abzusagen. Dieser weigerte sich und landete auf einer amerikanischen »Liste der das iranische Regime unterstützenden Unternehmen«. »Über mich wurde zeitgleich auf verschiedenen Seiten im Internet in deutscher und persischer Sprache veröffentlicht, ich arbeite für die iranische Regierung, treffe mich mit Ahmadinedschad«, empört sich Pourkian.

Kriegstreiberei zum Mitmachen

Dutzende solcher Aktionen listet die Webseite der Gruppe auf. Diskussionsabende mit Iranern in Deutschland, Reisen von Bundestagsabgeordneten in den Iran, die Beratung eines deutschen Unternehmens zur iranischen Gasförderung: Fast immer werden auf Intervention von »Stop the Bomb« Geschäfte eingeschränkt, Reisen gestrichen oder Veranstaltungen abgesagt. »Sie können heute in Deutschland keine Veranstaltung mehr zum Thema Iran machen, ohne von ›Stop the Bomb‹ bombardiert zu werden«, sagt Pourkians Anwalt Trempel.

Die Stärke der Kampagne, sind sich Kritiker und Unterstützer einig, besteht im Netzwerk der Gruppe. Vor kurzem unterschrieb die 7000. Person die Erklärung der Kampagne. »Wir sind offen für jeden, aber kein Sammelbecken für Rechtspopulisten und Islam-Basher«, versichert Weckerle. Und doch finden sich gerade von jenen auffällig viele in der Liste: Die Ikone aller Islamophoben in Deutschland, Henryk M. Broder, steht ebenso unter dem Aufruf wie die Webseite »Honestly Concerned«, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Israelkritiker öffentlich zu diffamieren. Konservative Politiker wie Philipp Mißfelder und Wissenschaftler wie der Bundeswehr-Historiker Michael Wolffsohn unterschrieben die Kampagne. Aber auch Antifa-Gruppen, die LINKEN-Politikerin Petra Pau und die Bundespräsidentschaftskandidatin der LINKEN, Beate Klarsfeld finden sich in der Liste. »Parteiübergreifend«, heißt das in der Selbstbeschreibung der Kampagne, »Querfront der Islamhasser«, nennen Kritiker das Bündnis.

Atomwaffen gegen Iran

Seit ihrer Teilnahme an der Konferenz taucht auch Frau S.' Name im Internet immer wieder im Zusammenhang mit dem iranischen Atomprogramm auf. Ihr kleines Unternehmen, welches in das iranische Gesundheitssystem investierte, hat sie in Folge des nächtlichen Besuches aus Angst aufgelöst. Dass das Risiko für jede Firma, die mit Iran in Kontakt steht, in die Höhe getrieben wurde, wertet Weckerle als Erfolg. Ein Krieg könne nur durch die »vollständige Isolierung« des Landes vermieden werden.

Doch wie weit entfernt »Stop the Bomb« von einem Friedensaufruf ist, zeigen nicht zuletzt öffentliche Auftritte von Vertretern der Kampagne. Gespräche mit Iran werden als alliierte Appeasement-Politik gegenüber Nazi-Deutschland verteufelt und auf Anwendung militärischer Gewalt gedrängt. Ein Erstunterzeichner des Aufrufs, der Historiker Benny Morris, forderte auf einer Konferenz von »Stop the Bomb« gar die Bombardierung Irans mit Atomwaffen. Widersprochen hat ihm bisher bei »Stop the Bomb« niemand.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -