Wolf Biermann im Zuchthaus

Konzert zugunsten der nach einjähriger Sanierung eröffneten Gedenkstätte in Cottbus

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass die am Dienstagnachmittag nach einjähriger Sanierung eröffnete Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus nicht einfach ein Museum ist, sondern auch eine Rolle spielt bei politischen Auseinandersetzungen der Gegenwart, dafür gibt es ein gutes Beispiel: Im November 2009 borgte sich der CDU-Politiker Dieter Dombrowski aus dem Fundus des Museums einen Häftlingsanzug aus DDR-Tagen, zog ihn an und störte in dieser Verkleidung die Vereidigung von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD).

Zwar beteuerte Dombrowski, er habe nicht gegen die rot-rote Koalition an sich protestiert, sondern dagegen, dass mit Thomas Nord und Kerstin Kaiser zwei frühere Inoffizielle Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit das Regierungsbündnis mit ausgehandelt hatten. Die Aktion wirkte jedoch prinzipiell und dies war vorhersehbar.

Die geplante Dauerausstellung ist ihrem Titel nach - »Freiheit, Würde, Rechtsstaat - politische Verfolgung 1918 bis 1989« - weiter gefasst. Der Schwerpunkt liegt aber sicherlich bei den politischen Gefangenen in der DDR. Solche ehemaligen Häftlinge, darunter der nach einer gescheiterten Republikflucht hier eingesperrte Dieter Dombrowski, haben sich im Verein Menschenrechtszentrum Cottbus zusammengeschlossen. Dem Verein gehört das 22 000 Quadratmeter große Gefängnis, das 2002 geschlossen wurde. Er betreibt auch das Museum.

Die neue Dauerausstellung wird erst im Herbst 2013 fertig. Bis dahin sind fünf Sonderausstellungen zu sehen. Gleich vier davon beschäftigen sich ausschließlich mit den Schattenseiten der DDR, wie allein schon ihre Titel verraten. Da geht es um U-Haft bei der Staatssicherheit, Filmzensur und Gefangenenmisshandlungen in der DDR sowie um »Jung sein in der Diktatur«. Erzählt wird die Geschichte von Freunden aus Erfurt, die von San Francisco und Paris träumen, ein Konzert von Pink Floyd erleben möchten und durch die Mauer daran gehindert sind.

Wegen Prügel, Schlafentzug und Isolationshaft, die es im Strafvollzug der DDR zweifellos gab, sind nach der Wende Tausende Ermittlungsverfahren gegen Wärter eingeleitet worden. »Doch nur zwei mussten ins Gefängnis«, heißt es bedauernd in der Ankündigung der Ausstellung zur Gefangenenmisshandlung. Gezeigt werde »das Versagen des Rechtsstaats bei der Aufarbeitung«.

Zur Wahrheit gehört dazu, dass unter die politischen Häftlinge in der DDR auch Neonazis fallen, wenngleich es sich bei ihnen um eine Randgruppe handelte. Speziell in Cottbus saßen viele Menschen ein, die wegen angeblicher oder tatsächlicher Hetze gegen den Staat verurteilt oder die bei einem Fluchtversuch geschnappt worden sind. Manche hatten die Fluchtabsicht auch lediglich vorgetäuscht, um eingesperrt und schließlich von der Bundesrepublik freigekauft zu werden. Nur 20 Prozent der bis zu 1200 Häftlinge waren gewöhnliche Kriminelle, wird berichtet.

Um Geld für die Sanierung des Torhauses aufzutreiben, gab der Liedermacher Wolf Biermann gestern Abend ein Benefizkonzert in der Gedenkstätte. In dem Gefängnis hatten einst Menschen gesessen, weil sie seine Lieder und Texte in der DDR verbreitet hatten, heißt es. Für den Auftritt des Künstlers, der bis zur Wende als eine Ikone auch für demokratische Linke galt, der aber danach ins konservative Milieu abdriftete, waren zuletzt nur noch Restkarten erhältlich.

Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus, Bautzener Straße 140, Di. bis Fr. von 10 bis 16 Uhr

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