EZB will unbegrenzt kaufen

Neues Notenbankprogramm soll Linderung verschaffen / Merkel in Spanien

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit unbegrenzten Anleihenkäufe will die EZB die Krise in Europa bekämpfen. Das stößt auf Kritik.

Die Erleichterung war Mario Draghi auf den ersten Blick anzusehen. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) verkündete gestern in Frankfurt ein Programm zum unbegrenzten Aufkauf von Staatsanleihen. Den Leitzinssatz beließ die EZB bei 0,75 Prozent. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) traf sich unterdessen mit dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy in Madrid.

Unter dem Programm »Out-right Monetary Transactions« will die EZB auf den Finanzmärkten Staatsanleihen mit einer Laufzeit von ein bis drei Jahren kaufen. Sie hofft damit, die hohen Zinsen für Anleihen krisengeplagter Euro-Länder zu senken. Die EZB startet das Programm nur, wenn sich ein Land den Bedingungen des Rettungsprogramms EFSF unterwirft. Damit ist der Aufkauf von Anleihen mit sehr strengen Sparauflagen für die Krisenländer verbunden.

Bis zuletzt musste EZB-Chef Draghi gegen Einwände aus Deutschland kämpfen. Bundesbankchef Jens Weidmann hatte seinen Widerstand gegen Staatsanleihenkäufe immer wieder öffentlich bekräftigt. So war die Entscheidung im EZB-Rat auch nicht einstimmig. »Wir lehnen den Einsatz der Notenpresse zur Staatsfinanzierung ab«, hieß es noch am Donnerstag in einem Papier der FDP-Bundestagsfraktion. Kanzlerin Angela Merkel vermied es jedoch, im Vorfeld eindeutig Stellung zu den EZB-Plänen zu beziehen.

Nach einem Treffen mit dem spanischen Ministerpräsidenten Rajoy verteidigte die Kanzlerin die Entscheidung der Zentralbank. »Die EZB reagiert unabhängig und im Rahmen ihres Mandates«, sagte Merkel. Die Euro-Krise werde aber nur überwunden, wenn die Politiker ihre Hausaufgaben erledigen.

In der spanischen Presse war darüber spekuliert worden, Rajoy habe bei Merkel dafür werben wollen, Spanien möglichst günstige Konditionen für eine mögliche EU-Hilfe zu gewähren. Der spanische Regierungschef warb im Vorfeld für ein neues Aufkaufprogramm der EZB. Unterstützung bekam er von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Sie rief die EZB auf, im Kampf gegen die Euro-Krise erneut Staatsanleihen zu kaufen.

Unterdessen steckt der Euro-Raum nach Einschätzungen der EZB in einer tiefen Rezession. Sie geht davon aus, dass die Wirtschaftsleistung der Eurozone dieses Jahr um bis zu 0,6 Prozent sinken wird. Die OECD erwartet bis zum Ende dieses Jahres auch für Deutschland eine Rezession.

Das gewerkschaftsnahe Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) hat errechnet, dass die Reallöhne 2012 in jedem zweiten EU-Land sinken. Besonders stark sind die Beschäftigten in Griechenland (minus 7,5 Prozent) und Portugal (minus 6,1 Prozent) betroffen. In Deutschland dürfen die Arbeitnehmer auf ein kleines Plus von bis zu 0,5 Prozent hoffen. Dies gleicht aber nur einen kleinen Teil der Reallohnverluste der letzten Jahre aus.

Die Gewerkschaften in Deutschland und Spanien haben deswegen ein Ende der Sparpolitik in ihren Ländern gefordert. Die Kürzungs- und Reformpolitik habe die Wirtschaftslage nicht verbessert, sondern die Talfahrt verlängert, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des deutschen Gewerkschaftsbundes und der spanischen Gewerkschaftsverbände CCOO und UGT.

In der Opposition ist das EZB-Programm umstritten. Der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Gerhard Schick, verteidigte die Entscheidung: »Es ist richtig, dass die EZB in dieser brenzligen Lage jetzt auf dem Staatsanleihenmarkt aktiv wird.« Die Vizevorsitzende der LINKEN, Sarah Wagenknecht, äußerte dagegen Kritik: »Die Bankenrettung geht damit genau so weiter wie die diktierte Politik des sozialen Kahlschlags.«

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