»Um unser aller Freiheit willen«

Religionen demonstrierten gegen Beschneidung

  • Lesedauer: 2 Min.

(epd/dpa). Rund 300 Menschen haben am Sonntag in Berlin für die Straffreiheit religiöser Beschneidungen demonstriert. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte, die Debatte betreffe Grundfragen, die »alle miteinander« berührten. Die frühere Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Lala Süsskind, nannte die Beschneidungsdebatte »ein Sommerloch-Thema«. »Weder Juden noch Muslime verstümmeln ihre Kinder.«

Zu der Kundgebung hatte das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus aufgerufen. Der Aufruf wurde von über 50 Organisationen und Einrichtungen unterstützt, darunter der Evangelischen Landeskirche, dem Erzbistum Berlin, dem Türkischen Bund Berlin-Brandenburg, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

Thierse warnte davor, dass nach dem Urteil des Kölner Landgerichts der Staat künftig definiere, was zum Kern einer Religionsgemeinschaft gehöre. Die Frage könne »um unser aller Freiheit willen« auch nicht von einem einzelnen Richter entschieden werden. Die Frage nach dem Kindeswohl dürfe nicht allein unter medizinischen Gesichtspunkten betrachtet werden.

Die frühere Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin, Lala Süsskind, lehnte die Berliner Regelung ab, bis zu einem Bundesgesetz die Beschneidungen nur zu erlauben, wenn Eltern eine religiöse Begründung für den Eingriff liefern könnten. 70 Jahre nach dem Holocaust wolle sie sich nicht wieder gegenüber Behörden als Jüdin ausweisen müssen. Der Berliner Rabbiner Tovia Ben-Chorin meinte, Beschneidungen gehörten zum Kern des Judentums.

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, sagte, die Tradition der Beschneidung werde es auch in Zukunft in Deutschland geben. »Niemand wird die Beschneidungen stoppen können.« Der Eingriff sei auch bisher unter strengen hygienischen Bedingungen vollzogen worden. Gleichzeitig forderte Kolat die Muslime auf, sich nach den jüngsten Übergriffen auf Juden der Debatte über den islamistischen Antisemitismus zu stellen.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erklärte am Sonntag, die Bundesregierung sei fest entschlossen, die Resolution des Bundestages für die Strafffreiheit von Beschneidungen »vollumfänglich umzusetzen«.

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