Gleich, aber doch anders
Bildungssenatorin will klare Rollenverteilung zwischen Sekundarschule und Gymnasium
Sekundarschule, Gymnasium, Gemeinschaftsschule. Das Bildungssystem in Berlin ist vielfältig. Zwar können sich Eltern und Schüler mehr denn je für einen individuell passenderen Bildungsweg entscheiden. Einen richtigen Überblick darüber, welche Schule welche Abschlüsse bietet und wie die genaue Unterrichtsform aussieht, hat jedoch fast niemand mehr. Das scheint der Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) ähnlich zu gehen: Im Oktober soll daher zumindest für Sekundarschulen und Gymnasien ein Leitbild vorgestellt werden. Auch formal soll der Unterschied deutlicher werden. Bisher heißen nämlich nicht alle Gymnasien auch so, das will Scheeres »der Realität anpassen«, hieß es. »Wenn eine Schule ein Gymnasium ist, dann soll sie ab sofort auch so heißen dürfen«, sagte Scheeres jüngst auf dem bildungspolitischen Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Das Leitbild soll vor allem die Zahl der Schüler verringern, die am Ende der Probezeit vom Gymnasium auf die Integrierte Sekundarschule (ISS) wechseln - die sogenannten Rückläufer. Die ISS standen mit Beginn des neuen Schuljahres vor einem erheblichen Problem, weil es für viele Ex-Gymnasiasten keinen Platz gab. Experten kritisierten daraufhin die Mehrbelastung für die Schulen, aber auch die negativen Auswirkungen auf die Schüler selbst.
»Integrierte Sekundarschulen und Gymnasien sind gleichwertig, aber nicht gleichartig«, erklärte Scheeres. Beide Schulformen führen zum Abitur, aber jeweils auf unterschiedliche Weise. Scheeres betonte dabei, Ziel der Gymnasien müsse sein, so viele Schüler wie möglich zum Abitur zu führen.
Die Opposition im Abgeordnentenhaus reagierte mit Unverständnis auf die Pläne der Bildungssenatorin und spricht von einem »falschen politischen Signal«. Die Richtlinien »schreiben Gymnasien als Eliteschulen fest«, monierte Martin Delius, bildungspolitischer Sprecher der Piraten am vergangenen Donnerstag im Abgeordnetenhaus. Statt lediglich über zwei Schulformen zu diskutieren, müsse die Senatorin das breite Angebot in der Berliner Schullandschaft fördern. Delius forderte die Senatorin auf, ihr Augenmerk besonders auf die Gemeinschaftsschule zu richten, als »bislang beste Möglichkeit staatlich organisierten Unterrichts«.
Die Idee der Gemeinschaftsschule wurde 2005 von der LINKEN als Reform eingebracht. Ihr Vorhaben, alle Schulen nach und nach zu Orten des gemeinsamen Lernens zu entwickeln, scheiterten jedoch. Was ursprünglich Gesetz werden sollte, wurde unter Rot-Rot lediglich zu einem Pilotprojekt. Seit dem Schuljahr 2008/2009 ist also in der Gemeinschaftsschule das längere gemeinsame und individuelle Lernen von Klasse 1 bis 10 und sogar bis Klasse 12/13 möglich. Gemeinschaftsschulen ohne eigenen Grundschulteil oder ohne eigene gymnasiale Oberstufe haben verbindliche Kooperationen mit Grundschulen oder Schulen mit gymnasialer Oberstufe.
Erst kürzlich belegte eine Studie Erfolge des gemeinsamen Lernens. Sowohl leistungsstarke als auch langsamere Schüler konnten laut der Studie Lernerfolge aufweisen. Bildungsexperten wollen daher, dass die Gemeinschaftsschulen mehr Akzeptanz finden.
»Unser Ziel bleibt es, die Gemeinschaftsschule als eine Schulform im Schulgesetz zu verankern«, betonte die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Regina Kittler. Bis dahin solle jedoch wenigstens eine Gemeinschaftsschule in jedem Bezirk bis zum Abitur führen.
Auch die Vorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung (GEW), Sigrid Baumgardt, unterstützt die Forderung der Linksfraktion. Gemeinschaftsschulen müssten weiterhin gestärkt werden, das sei eine gesellschaftspolitisch lohnenswerte Aufgabe.
Berliner Schulsystem
Grundschule: In der Regel von der ersten bis zur sechsten Klasse. Möglich ist auch ein Wechsel aufs Gymnasium nach der vierten Klasse. Alle Grundschulen sind Ganztagsschulen.
Weiterführende Schulen:
Integrierte Sekundarschule (ISS): Ab Klasse sieben, ersetzen seit dem Schuljahr 2010/2011 Haupt-, Real- und Gesamtschulen. Alle ISS sind Ganztagsschulen. Mögliche Abschlüsse: Berufsbildungsreife (früher Hauptschulabschluss), Erweiterte Berufsbildungsreife und Mittlerer Schulabschluss (MSA). Mit gutem Notendurchschnitt ist nach dem MSA das Abitur möglich. Abi kann man entweder an einer ISS (nach 13 Jahren), am Gymnasium oder am Oberstufenzentrum machen. Darunter können Kooperationen mit Gemeinschaftsschulen fallen.
Gymnasium: Ab der siebten Klasse, wobei diese ein Probejahr ist. Nach der zehnten Klasse wird die MSA-Prüfung abgelegt. Abitur ist nach 12 Jahren möglich.
Oberstufenzentrum (OSZ): Schulen der beruflichen Bildung (duales System). Möglichkeit die Fachhochschul- oder Allgemeine Hochschulreife zu erwerben.
Ganztagsschulen: Es gibt offene und gebundene Ganztagsschulen. Die offene bieten an den Nachmittagen zusätzliche Betreuung oder Kurse an. An den gebundenen findet an mindestens vier Tagen der Woche verpflichtender Unterricht bis 16 Uhr statt. nd
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