Schwarze Flagge an US-Botschaft
Antiamerikanische Proteste in arabischen Staaten weiten sich aus
Nach den gewaltsamen Ausschreitungen gegen diplomatische Vertretungen der USA in Libyen und Ägypten, die im Konsulat von Bengasi vier Todesopfer forderten, darunter den Botschafter Washingtons in Libyen, haben sich die Proteste am Donnerstag auf weitere Länder der Region ausgeweitet. Neben Kairo waren vor allem amerikanische Einrichtungen in Sanaa Zielscheibe von wütender Demonstranten. Nachdem es zuerst geheißen hatte, die Botschaft sei wie die US-Vertretung in Bengasi gestürmt worden, war es jemenitischen Sicherheitskräften aber gelungen, Eindringlinge vom Botschaftsgelände zu vertreiben und damit schwerwiegendere Auseinandersetzungen zu vermeiden. Die Angreifer begnügten sich am Ende damit, die US-Staatsflagge herunterzureißen und dafür eine islamisch-grüne Fahne mit der Schahada, dem muslimischen Glaubensbekenntnis, aufzuziehen.
Dasselbe passierte in Tunis. Dort wurde zusätzlich eine schwarze Fahne der »Gotteskrieger« vor der Vertretung aufgepflanzt. Allerdings fand Tunesiens Präsident schon unmittelbar danach klare Worte zur Verurteilung des Mobs. Moncef Marzouki, der gerade im Nachbarstaat Libyen weilte, bezeichnete die Angreifer sowohl in Libyen als auch in Ägypten und seiner tunesischen Heimat laut dpa als »Terroristen«. Die Attacke, bei der vier US-Bürger ums Leben gekommen seien, gefährde die Stabilität der gesamten Region, sagte Marzouki nach einem Treffen mit dem libyschen Parlamentspräsidenten Mohammed Magariaf. Demonstrationen gab es gestern auch in Gaza und Teheran, wo sich allerdings keine US-Vertretungen befinden.
Da sich die USA in der heißen Phase des Präsidentschaftswahlkampfes befinden, war es wenig verwunderlich, dass das Thema dort sofort dafür instrumentalisiert wurde. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney schob Amtsinhaber Barack die Schuld für die Zwischenfälle in die Schuhe.
Obama habe Schwäche und mangelnde Führungskraft gezeigt. Er machte den Präsidenten ebenfalls für eine seiner Meinung nach völlig verfehlte Erklärung der später angegriffenen US-Botschaft in Kairo verantwortlich.
Romney bezeichnete das Verhalten der US-Regierung laut dpa sogar als »infam«. Die Mission in Kairo hatte in der Nacht zum Mittwoch »die Bemühungen irregeleiteter Personen« verurteilt, »die religiösen Gefühle von Muslimen zu verletzen«. Sie bezog sich dabei auf jenen islamfeindlichen Film, der Auslöser der Gewaltaktionen in Kairo und anschließend mit vier Todesopfern in Bengasi war.
»Es ist infam, dass es nicht die erste Reaktion der Obama-Administration war, die Attacken auf unsere diplomatischen Vertretungen zu verurteilen, sondern mit denen zu sympathisieren, die die Attacken ausgeführt haben«, ereiferte sich Romney in einer ersten Reaktion. Später fügte er hinzu: »Es ist niemals zu früh für die Regierung der Vereinigten Staaten, Attacken gegen Amerikaner zu verurteilen und unsere Werte zu verteidigen.«
Romney äußerte dies ungeachtet der Tatsache, dass zwar nicht die Botschaft in Kairo, aber Obama eigentlich genau dies getan hatte, allerdings nicht im scharfmacherischen Stil seines Herausforderers, der damit offenbar hofft, auch noch den letzten ultraevangelikalen US-Bürger, der möglicherweise Obama wählen würde, auf seine Seite zu ziehen.
CIA-Theorien, es habe sich in Bengasi um einen von langer Hand vorbereiteten Anschlag von Al Qaida gehandelt, konnten bisher nicht mit Fakten belegt werden.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.