Wowereit schweigt zur NSU-Affäre
Innensenator Henkel lässt unterdessen Druck bei Polizeivizepräsidentin Koppers ab
Auf Nachfrage des »neuen deutschland«, ob er finde, dass die »Krise des Senats medial aufgebauscht« sei?, fragte Wowereit nur lässig zurück: »Hier in der Black Box?« Nein, natürlich zum »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) und seinem Innensenator Frank Henkel (CDU). Dazu sagt Wowereit gar nichts. Er schiebt stattdessen den Reporter mit dem Satz: »Gewöhnt euch mal daran, einen eigenen Platz zu finden« zur Seite. Aber können die NSU-V-Mann-Affäre und die Verwicklung der Berliner Behörden und vor allem der stark angeschlagene Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) Wowereit wirklich kalt lassen? Ausgerechnet jener Klaus Wowereit, der sich in den vergangenen Jahren sehr glaubhaft für ein Verbot der rechtsextremen NPD einsetzte?
Natürlich lässt das auch Wowereit nicht unberührt. Aus dem Umfeld des Regierenden heißt es, dass es zurzeit allerdings Sache der Innenverwaltung sei, Licht ins Dunkel der V-Mann-Affäre zu bringen. Überdies sei es selbstverständlich wichtig, dass alles restlos aufgeklärt werde. Dafür biete sich der unabhängige Sonderermittler an, den Innensenator Frank Henkel ins Spiel gebracht habe. Am Ende muss durch Aufarbeitung sichergestellt sein, dass so etwas nicht noch mal passiert.
Ganz ähnlich klingt auch die neue Verteidigungsstrategie, mit der die Berliner CDU ihren massiv unter Druck stehenden Landeschef und Innensenator entlasten will: »Materiell« seien die Aussagen der Generalbundesanwaltschaft und des Innensenators gar nicht widersprüchlich, sondern das werde nur »inhaltlich« so interpretiert, heißt es in einer Erklärung der innen- und verfassungsschutzpolitischen Sprecher der CDU, Robbin Juhnke und Stefan Lenz. Henkel war auch deshalb in Erklärungsnöte geraten, weil er gesagt hatte, dass seine Polizeibehörde Akten zum V-Mann des Berliner Landeskriminalamtes und mutmaßlichen NSU-Unterstützer Thomas S. im März dieses Jahre nicht an den Bundestagsuntersuchungsausschuss weitergeleitet habe, weil er die laufenden Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft zum im NSU-Kontext Beschuldigten S. nicht vereiteln wollte. Außerdem sei über den V-Mann Vertraulichkeit mit der Generalbundesanwaltschaft (GBA) vereinbart worden.
Die Chefermittler aus Karlsruhe sehen dies freilich weiter anders. »Die Bundesanwaltschaft hat das Polizeipräsidium Berlin oder dessen vorgesetzte Landesbehörde zu keinem Zeitpunkt angewiesen, aufgefordert oder gebeten, die in Rede stehenden Kenntnisse nicht an den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages weiterzuleiten.« Wer Recht hat, wird sich zeigen.
Fest steht, dass sich weder in den Akten noch an anderer Stelle bisher eine schriftliche Notiz zur Vertraulichkeit über den V-Mann findet. Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers bleibt indes ebenfalls bei ihrer Darstellung. »Es wurde vereinbart, dass weder von Seiten der GBA noch von Berliner Seite Informationen herausgegeben werden.« Eine Aussage, hinter der sich der Innensenator Frank Henkel inzwischen verschanzt: Laut Polizei habe es eine Vereinbarung mit dem Generalbundesanwalt gegeben, Informationen über S. solange geheim zu halten, bis die Gefährdung des V-Mannes und der Ermittlungen geprüft sei. »Ich habe keinen Anlass, an dieser Darstellung zu zweifeln«, hatte Henkel wiederholt betont. Das heißt aber auch: Wenn daran etwas nicht stimmt, muss Koppers dafür gerade stehen.
Aus dieser Sicht scheint es nicht ausgeschlossen, dass die Vizepolizeipräsidentin ihren Posten wegen der NSU-V-Mann-Affäre in Berlin verlieren könnte. Ihre Chancen, den vakanten Chefposten bei der Polizei zu ergattern, dürften auf jeden Fall stark geschrumpft sein.
Die Aufarbeitung der V-Mann-Affäre soll bereits am Montag im Innenausschusses des Abgeordnetenhauses weitergehen. Am 22. Oktober will dann der ehemalige Innensenator Ehrhart Körting Rede und Antwort stehen, in dessen Amtszeit die Anwerbung des V-Mannes Thomas S. stattfand. Nach eigenen Angaben wusste Körting nichts von dem brisanten V-Mann.
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