Showdown im Grundstückskampf?
Konzepte zu neuer Liegenschaftspolitik sollen vorgelegt werden
Seit Jahren schwelt der Konflikt um die Frage, nach welchen Kriterien landeseigene Grundstücke veräußert werden sollen. Bisher galt vor allem die Devise, den größtmöglichen Erlös zu erzielen. Der privatrechtlich organisierte Liegenschaftsfonds wie auch die Landesbetriebe BVG, BSR und BEHALA sind nach ihren Statuten sogar dazu verpflichtet. Eine Praxis, die immer wieder zu öffentlichem Ringen bei Fällen wie dem ehemaligen Rotaprint-Gelände in Wedding oder dem Kreuzberger Oberbaumdreieck führte.
Bereits 2010 wurde im Abgeordnetenhaus noch unter Rot-Rot einstimmig der Beschluss zu einer Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik gefasst, seitdem hat sich parlamentarisch nichts getan. Im Juli letzten Jahres formierte sich deswegen die zivilgesellschaftliche Initiative »Stadt Neudenken«. Ziel war sowohl die Formulierung von Zielen einer gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung als auch die Erhöhung des Drucks auf den Senat.
Im Konflikt um eine Neuausrichtung der Berliner Liegenschaftspolitik könnte es heute zu einem Showdown kommen. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) wird sein Konzept dazu vorlegen. Auch die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus legt einen Gesetzentwurf zu dem Thema auf den Tisch. Soviel ist sicher: Beide werden sich deutlich unterscheiden.
Der Finanzsenator möchte im Kern erreichen, dass - sollte es zu Grundstücksverkäufen jenseits des Höchstpreisprinzips kommen - die Differenz als Subvention aus dem Haushalt der beteiligten Körperschaft verbucht wird. Somit sei Transparenz gewährleistet. Um nicht nur den jeweiligen Verkehrswert zu erzielen, hat er das Instrument der Potenzialwertanalyse entwickelt. »Es soll also die Differenz zwischen sozialem und Spekulationswert erbracht werden«, erläuterte Katrin Lompscher, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der LINKEN bei einer öffentlichen Diskussion von »Stadt Neudenken« am vergangenen Freitag. »Das, was von der Finanzverwaltung vorgelegt wurde, entspricht nicht unserem Antrag«, sagte Ellen Haußdörfer, SPD-Sprecherin für Stadtentwicklung.
»Wenn etwas verkauft wird, dann nicht zum Höchstpreis, sondern zum besten Mehrwert für die Stadt«, erklärte Daniel Buchholz, umweltpolitischer Sprecher der SPD den Grundgedanken des Fraktionsentwurfs. Vor allem im Zentrum solle mehr in Pacht und Erbpacht vergeben werden, um auf die Flächen dauerhaften Zugriff zu haben. Nach Kritik an Nußbaums Vorlage heiße die Potenzialwertanalyse zwar nicht mehr so, das Instrument sei jedoch das selbe, sagt Buchholz. Er sieht auch die Gefahr, dass bei einer Ausweisung der Differenzbeträge als Subvention die EU Prüfverfahren einleiten könnte.
Der Entwurf sieht auch die Übertragung von nicht mehr benötigten Grundstücken der Landesbetriebe direkt an das Land vor, um auch diese Flächenreserven nach politischen Vorgaben nutzen zu können. Hintergrund ist einerseits der momentane Streit um den Verkauf des BSR-Grundstücks an der Holzmarktstraße. Dazu kommt, dass der Liegenschaftsfonds nach Informationen der »Berliner Morgenpost« im Zentrum praktisch kaum noch über Grundstücke verfügt.
Ellen Haußdörfer von der SPD sprach sich bei der Diskussion am vergangenen Freitag dafür aus, auch Grundstücke weiterer Institutionen wie den Universitäten in die Überlegungen einzubeziehen.
Katrin Schmidberger, Grünen-Sprecherin für Mieten und Soziale Stadt, beklagte, dass das Thema kulturelle Nutzung »unter den Tisch fällt«, da momentan »alles Richtung Wohnen« gehe. »Ich kann es nicht mehr ertragen, wenn Abgeordnete die Ohnmacht des Parlaments wiederkäuen. Seit zwei Jahren haben sie nichts gemacht«, monierte Franz Schulz, Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg (Grüne). Er forderte einen »militanten Appell« an den Senat.
Ab November wird es einen gemeinsam von »Stadt Neudenken«, SPD, Grünen, LINKEN und Piraten einberufenen Runden Tisch zur Liegenschaftspolitik geben. Ephraim Gothe (SPD), Staatssekretär in der Stadtentwicklungsverwaltung, hat seine Unterstützung zugesichert. Was heute im Parlament passieren wird, ist noch offen. »Es kommt drauf an, was der Senat vorlegt«, sagt Buchholz.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.