Dauerstau und schlechte Luft
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt heute die Klage gegen die A 100
»Der Planfeststellungsbeschluss für die Verlängerung muss vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben werden, weil er unter einer Vielzahl von Fehlern leidet«, erklärte Rechtsanwalt Karsten Sommer gestern vor Journalisten. Das Hauptargument für den Bau der A 100 – die Entlastung des innerstädtischen Verkehrs – sei nicht gegeben. Im Gegenteil. Gutachten haben mehrfach belegt, dass Autobahnen mehr Verkehr anziehen und zwar um fünf bis zehn Prozent. Das Land Berlin habe das bei der Planung nicht berücksichtigt. »Was uns erwartet, ist also Dauerstau«, so Sommer.
Vom Verkehrssenat unberücksichtigt blieben auch die Mehrbelastungen durch Lärm und Schadstoffe. Die Planung widerspreche damit den wichtigsten Umweltzielen, Lärmminderungs- und Luftreinhalteplänen des Landes. »Der Boxhagener Kiez gilt beispielsweise als Modellgebiet für die Lärmminderung. Durch den Ausbau der Autobahn werden die Bewohner des Kiezes aber erheblich geschädigt«, sagte Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne). Daran könne das Gericht nicht vorbei sehen. Der Bezirk habe mehrere Gutachten, die die Berechnungen des Senats widerlegen. »Ohne diese solide Grundlage hätten wir den Schritt vor den Richter erst gar nicht gemacht«, so Schulz. Der Bezirksbürgermeister ist sich sicher, dass das Gericht anhand des Gutachtens zu einer neuen Bewertung der Autobahn kommen wird. Das scheint der Senat wohl selbst zu befürchten. Sonst wäre ein zuvor beauftragter Gutachter laut Schulz nicht massiv vom Senat unter Druck gesetzt worden, »bis er seine Bewertungen – die den Senatszahlen widersprechen – zurückgezogen hat«.
Der BUND Berlin wirft dem Senat Versagen vor. Unverständlich sei die Konzentration auf die A 100, während andere Autobahnen »vor die Hunde gehen«, kritisierte Tillmann Heuser, Landesgeschäftsführer des BUND Berlin. »Unabhängig vom Ausgang der Klage fordern wir weiterhin den Senat und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) auf, den Bau der teuersten Autobahnkilometer in Deutschland endlich aufzugeben«, betonte Heuser. Die knappen Steuergelder sollten nach Ansicht des BUND in die »teilweise maroden Autobahnen« und in den Lärmschutz investiert werden.
Rechtsanwalt Karsten Sommer räumte allerdings ein, dass die Chancen auf einen kompletten Baustopp statistisch gering ausfielen. Dennoch gebe es Beispiele, die hoffen ließen. Sommer nannte den Ausbau der A 40 in Dortmund und den Citytunnel in Magdeburg. In beiden Fällen hätten die Richter zu Gunsten der Kläger entschieden.
Als erstes positives Signal bewertet Sommer, dass die Richter den Berliner Senat bereits auf »Unklarheiten« in seiner Darstellung hingewiesen haben. Falls es jedoch nicht zum erwünschten Erfolg komme, sei wenigstens eine Planänderung in Sachen Lärmschutz und Schadstoffbegrenzung nötig. Allerdings sei der Handlungsspielraum dabei begrenzt. »Ein Lkw-Verbot könnte zwar etwas Entspannung bringen. Damit wäre die Autobahn aber gänzlich überflüssig.« Neu zu überdenken seien außerdem die Grundstücke und Wohnungen, die der Autobahn zum Opfer fallen würden. Die Betroffenen werden morgen vor Gericht ihre Lage schildern. Unter der Klägergemeinschaft von 15 Klägern ist auch die Wohnungsgenossenschaft Neukölln. Deren Häuser auf der Beermannstraße in Neukölln sollen der A 100 weichen.
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