Gemeinsam gewinnen

Die LINKE beansprucht ihren Anteil an den Erfolgen der rot-roten Koalition

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Nach fast drei Jahren rot-roter Koalition stehen SPD und LINKE etwa so gut da wie am Beginn. Sie vereinen 61 Prozent der Wähler auf sich, wie die jüngste Umfrage ergeben hat. Doch der Zuspruch ist anders vereilt als bei der Landtagswahl im September 2009. Die SPD legte sechs Prozent zu und steht jetzt bei 39 Prozent, während die LINKE fünf Prozent unter ihrem damaligen Ergebnis liegt. Für die Sozialisten ist das ärgerlich. In den letzten Tagen mehren sich die Anzeichen dafür, dass die LINKE versucht, mehr Profil zu gewinnen und ebenfalls von den Erfolgen der Koalition zu profitieren.

Erstes Anzeichen dafür war, wie Linksfraktionschef Christian Görke am Freitag auf die neuesten Umfragewerte reagierte. Er kündigte indirekt an, »in der Koalition« - nicht etwa »mit der Koalition«, nein »in der Koalition noch deutlicher Akzente für eine sozial gerechte Politik zu setzen«. Dieser Satz war den Sozialisten besonders wichtig.

Zweites Indiz: Der Landesvorsitzende Stefan Ludwig widersprach am Sonntag dem Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD), dass die SPD allein gut sei für Brandenburg. Ludwig betonte: Erst in der Koalition mit der Linkspartei sei es gelungen, beispielsweise Mindestlöhne bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, kleinere Kitagruppen sowie im Bundesrat eine Frauenquote »auf den Weg zu bringen«.

Der Witz dabei: Die beinahe eifersüchtig klingende Bemerkung beruhte auf einem Missverständnis. Im Manuskript der Rede des Ministerpräsidenten auf dem SPD-Parteitag in Luckenwalde gab es eine lange Auflistung der Erfolge - ohne den Hinweis auf das Mittun der Sozialisten. Tatsächlich aber - und traditionell gilt bei solchen Anlässen das gesprochene Wort - hatte Platzeck eine kleine, aber entscheidende Änderung eingeflochten. Er schwärmte ausdrücklich davon, was die SPD »gemeinsam« mit dem Koalitionspartner erreicht habe. Das war aber bei der LINKEN nicht angekommen, weil deren Beobachterin nur das Ende der Rede Platzecks mitbekam und die Berichterstattung über den SPD-Parteitag diese kleine Wendung vom Manuskript zur Rede vor Montag nicht widerspiegelte. Eine Vorständlerin tröstete sich nach Aufklärung des Sachverhalts, die klare Ansage Stefan Ludwigs sei vielleicht trotzdem gar nicht so verkehrt und innerparteilich ein Signal.

Kürzlich hatte Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi seinen märkischen Genossen geraten, ihre Politik so zu verkaufen, dass der Wähler genau wisse, was er durch die LINKE bekommen hat und ohne sie nicht erhalten hätte. Der Mindestlohn sei eine ideale Gelegenheit, meinte Gysi. Die Grünen hätten das einst in der rot-grünen Bundesregierung geschickt gemacht. Man verbinde die Einführung der Homoehe mit ihnen, obwohl doch die SPD einen mindestens genauso großen Anteil daran habe.

Die Formulierungen Görkes und Ludwigs bedeuten aber keineswegs, dass die LINKE jetzt auf einen Krawallkurs einschwenkt. Ludwig hat sich für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der SPD ausgesprochen.

Auf der anderen Seite muss der SPD bewusst sein, dass ihre Anhänger honorieren, wie in der rot-roten Koalition sozialdemokratische Vorstellungen leicht durchgesetzt werden konnten, weil sie auch das Ziel der Sozialisten sind, während derartiges der CDU nicht einmal mühsam abgerungen werden konnte. Das beste Beispiel dafür ist der Mindestlohn. Die Weigerung von SPD-Generalsekretär Klaus Ness, vor der Landtagswahl 2014 eine Koalitionsaussage zu machen, ist da eher taktischer Natur. Selbstverständlich ist es bequemer, die Auswahl zu haben. Vielleicht gelingt es der CDU ja wirklich, mit einer neuen Spitze wieder salonfähig zu werden. Fakt ist, die Differenzen zwischen SPD und CDU bei den Sondierungsgesprächen im Jahr 2009 waren nicht unüberbrückbar. Erst im Nachhinein machte sich eine beleidigte, weil als Koalitionspartnerin zurückgewiesene CDU mit ihren wüsten Attacken gegen die SPD derart unmöglich, dass den Sozialdemokraten die Lust verging, ein Bündnis mit der CDU überhaupt noch in Erwägung zu ziehen.

Bleibt die Frage, warum die Wähler der Linkspartei für das unter Rot-Rot Erreichte nicht genauso dankbar sind wie die Wähler der SPD. Die Antwort fällt leicht: Anhänger der Sozialisten erwarten einfach mehr. Sie zufrieden zu stellen, verlorenen Boden wieder gut zu machen, wird keine leichte Aufgabe.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -