Gorleben war und blieb erste Wahl

Angela Merkel verteidigt im Untersuchungsausschuss ihr Agieren als Bundesumweltministerin

  • Lesedauer: 3 Min.
Der Salzstock Gorleben muss weiter erkundet werden - so lautete die Maxime von Angela Merkel als Bundesumweltministerin. Dazu griff sie auch schon mal zu einer, wie es die Opposition nennt, »Lüge«.
»Mein Handeln war richtig, verantwortlich und notwendig.« Angela Merkel stellte sich bei ihrem Auftritt am Donnerstag im Gorleben-Untersuchungsausschuss für ihre Amtszeit als Umweltministerin der Regierung Kohl/Kinkel 1994-98 ein sehr gutes Zeugnis aus. Sowohl was ihren Umgang mit der Kernenergie im Allgemeinen, als auch was ihr Vorgehen in der auch damals heftig umstrittenen Frage der Suche nach einem geeigneten Atommüll-Endlager im Besonderen angeht. »Meine Aufgabe war es, die Erkundung des Salzstocks Gorleben fortführen zu lassen«, erklärte sie. 1979 habe es die parteienübergreifende Entscheidung gegeben, nur diesen Standort zu erkunden.

Die inhaltliche Strategie der Kanzlerin war klar: Man muss die damaligen politischen Gegebenheiten im Land beachten, um Entscheidungen zu beurteilen. Merkel versteckte sich nicht hinter Untergebenen aus ihrem Ministerium, zog sich auch nur selten auf die Position »Kann mich nach so langer Zeit nicht mehr daran erinnern« zurück. Gut vorbereitet, bemüht sachlich, aber auch aalglatt beantwortete sie die Fragen der Fraktionsvertreter.

An einer Stelle allerdings kam sie auch mal leicht ins Stottern, und ihre Argumentation wurde reichlich dünn. Dies betraf den Umgang mit zwei Untersuchungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) über mögliche Ersatzstandorte zu Gorleben 1995. Diese benutzte Merkel als Umweltministerium, um ihre politische Botschaft zu transportieren, dass Gorleben und nur Gorleben »erste Wahl« bleibe.

Für die Oppositionsvertreterinnen war dies »bewusst wahrheitswidrig« (Ute Vogt, SPD), eine »Lüge« (Dorothée Menzner, LINKE) bzw. die »Unwahrheit« (Dorothea Steiner, Grüne). Die Kanzlerin wies dies zurück. Es sei zwar richtig, dass die Studien, in denen lediglich die Literatur gesichtet wurde, keine Vergleiche mit Gorleben anstellten. »In der realen Welt«, besonders in Baden-Württemberg, habe es aber große Ängste gegeben, dass nun womöglich weitere Standorte erkundet werden sollen. Da es alle von ihr erwarteten, habe sie sich zu Gorleben äußern müssen. Sie habe zum Ausdruck bringen wollen, dass es durch die Studien keinen Grund gebe, von Gorleben abzuweichen. Nur an diesem Standort hatten bereits Erkundungen stattgefunden, deshalb habe man die in der BGR-Studien genannten Ersatzstandorte nicht auf eine Stufe mit Gorleben stellen können. Die Oppositionsvertreter erinnerten aber daran, dass in den Medien damals Tenor der Berichterstattung über Merkels Äußerungen war, dass die Studien Gorleben empfehlen würden. »Wurden Sie nur missverstanden?«, fragte Sylvia Kotting-Uhl (Grüne). Vielleicht, antwortete die Kanzlerin flapsig. »Weil ich damals noch nicht so perfekt war wie heute.«

Merkel hat aus ihrer Sicht auch bei einem anderen heiklen Punkt alles richtig gemacht. Die Opposition wirft der Kanzlerin vor, auf Druck der AKW-Betreiber 1996/97 eine »Billig-Lösung« zur weiteren Erkundung des Salzstocks Gorleben unter Missachtung von Sicherheitsrisiken durchgezogen zu haben. Damals musste wegen fehlender Salzrechte, die nur durch langwierige Enteignungen hätten errungen werden können, die Erkundung gestoppt oder in geänderter Form fortgesetzt werden. Gleichzeitig drohten die Energiekonzerne mit einem Erkundungsmoratorium in Gorleben, auch um Kosten zu sparen. Die Umweltministerin entschied sich damals dafür, nur den Nordosten des Salzstocks erkunden zu lassen. Dadurch mussten Querstollen gebohrt werden, was laut BGR einen Verstoß gegen das »Gebot der Hohlraumminimierung« bedeutete. Man habe alle Punkte vor der Entscheidung hinreichend berücksichtigt, erklärte Merkel. Zwar sei die Teilerkundung »nicht optimal« gewesen, aber »sie hat sich als sinnvoll erwiesen«.

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