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Neue Ente aus Frankreich
Das Druckluftauto aus Nizza will die Innenstädte der Welt erobern
Geil! Endlich den Bleifuß ohne schlechtes Gewissen hemmungslos durchtreten. Einmal so richtig Gas geben. Den Ökoschumi rauslassen. Ohne besserwisserisches Gezeter vom Beifahrersitz von wegen der Umwelt, dem Spritverbrauch und so. Denn dieses Auto fährt gar nicht mit Benzin oder Diesel, sondern mit Luft. Druckluft, um genau zu sein.
An diesem Luftmobil bastelt der Franzose Guy Nègre bereits seit vielen Jahren. Eines dieser Fahrzeuge wird nun erstmals auf der am Sonnabend eröffneten »Mondial de lAutomobil Porte de Versailles« in Paris der Öffentlichkeit vorgestellt. Aber Monsieur Nègre will nicht nur die Autos verkaufen, sondern gleich die Autofabrik als Bausatz inklusive der Lizenzen zur Fertigung seiner Druckluftfahrzeuge. Mit diesem Franchise-Modell soll weiter Geld in die Kassen fließen, denn Nègres Firma MDI (Moteur Développement International) fehlen immer noch ein paar Millionen Euro. »Die Fabrik ist jetzt fertig«, sagt der MDI-Vertreter in Deutschland, Alexander Lindner. Und Ende des Jahres soll's nun endlich losgehen, um zunächst 1000 Fahrzeuge für die Lizenznehmer zu produzieren - bislang gibt es weltweit 62 Lizenznehmer. Der gasförmige Treibstoff wird bei den Nègreschen Mobilen in vier Pressluftflaschen à 300 Bar gefüllt, der Lufttank so zu sagen. Die insgesamt 95000 Liter komprimierte Luft wiegen 117 Kilogramm und sollen den Wagen mit dem 25 PS-Motor unter der Haube im Stadtverkehr ungefähr 200 Kilometer weit bringen. Doch genau das bezweifeln Wissenschaftler wie Professor Horst Brunner vom Lehrstuhl für Kraftfahrzeug- und Antriebstechnik der Technischen Universität Dresden. Die Berechnungen seiner Mitarbeiter mit den technischen Angaben aus den offiziellen MDI-Datenblättern haben eine wesentlich geringere Reichweite ergeben. Skepsis auch an der Technischen Universität Ilmenau: Dietrich Hennecke von der Fakultät für Maschinenbau kommt mit den klassischen Formeln und Diagrammen der Thermodynamik auf etwa 60 Kilometer Aktionsradius für die MDI-Flotte. »In der gepressten Luft steckt einfach nicht mehr Energie«, erklärt Hennecke. »Um die Luft mit 300 Bar in die MDI-Tanks zu pressen, nutzt ein strombetriebener Industriekompressor etwa 65 Kilowattstunden (kWh)«, erläutert Druckluftspezialist Erwin Ruppelt vom Kompressorhersteller Kaeser im oberfränkischen Coburg. Eine Tankfüllung kostet Otto Normalverbraucher somit 5,20 Euro. Von diesen 65 kWh steckt aber nur ein Bruchteil an Energie in der Pressluft. Es gibt keine realen physikalischen Prozesse, die ohne Verluste ablaufen. Auch der Kompressor für die Luftbetankung komme nur auf einen Wirkungsgrad von etwa 20 Prozent, sagt Ruppelt. Das bedeutet: von den 65 kWh bleiben für die Druckluft höchsten 13 kWh übrig. Und da auch ein MDI-Motor mit Verlusten arbeitet, reicht den Skeptikern die restliche Energie eben nicht aus, um damit noch 200 Kilometer weit zu fahren. »Nègre wird die Physik sicher nicht neu erfinden«, konstatiert Ruppelt, »aber vielleicht steckt in dem Motor ja doch eine geniale Idee, auf die bisher niemand gekommen ist.« MDI-Mann Lindner lebt seit Jahren mit diesen Berechnungen und spöttischen Bemerkungen der Kritiker. Ihre Argumente kann oder will er aber nicht widerlegen und verweist dabei gern auf die 25 Patente, die in dem Motor stecken. Wie er genau funktioniert, weiß nur Monsieur Nègre. »Dieser Motor existiert«, beschwört Lindner, »aber wir lassen die Katze noch nicht aus dem Sack!« Die Katze im Sack soll in der billigsten Version 12500 Euro kosten, und es gibt sie in den Varianten Taxi, Lieferwagen, Pick-Up oder als Familienvan. Höchstgeschwindigkeit für alle vier: 110 Stundenkilometer. Zur Ausstattung gehört außerdem ein elektrischer Bordkompressor, der via Steckdose die leeren Tanks innerhalb von vier Stunden wieder mit Pressluft füllen soll. Ansonsten existiert noch kein Tankstellennetz. Nirgendwo. In Deutschland verhandle man mit zahlreichen Baumärkten, Lebensmittelketten und Kommunen, um die Lufttankstellen möglichst nah am Kunden zu platzieren, sagt Lindner. Funktionieren die Spezial-Zapfsäulen, sollen di...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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