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- Gerichtsreport
Drohung mit dem Schafskopf
Rabiate Geldeintreiber spielten Russenmafia
Wenn Thomas G., 42 Jahre, an die Tür klopfte, dann bedeutete es für die Wohnungs- oder Büroinhaber meist nichts Gutes. Ein Mann, groß von Wuchs und kräftig in Gestalt. Wenn der sich in einen Türspalt stellt, geht die Tür von ganz alleine auf.
Und G. kam stets in Begleitung. Furcht einzuflößen, war das Ziel seiner Hausbesuche. Er gehörte zu einem Unternehmen, das sich »Sewastopol international« nannte mit Sitz in »Moskau-Berlin-Frankfurt«, hin und wieder auch einmal Mallorca oder St. Petersburg. Doch weder mit der Schwarzmeerstadt Sewastopol noch mit der russischen Hauptstadt Moskau hat die professionelle Geldeintreibertruppe etwas gemein. Der Name, gerichtsamtlich notiert, soll dem Unternehmen Internationalität und einen Hauch verruchter Russenmafia verleihen. Um Moskau als Firmenadresse aufführen zu können, suchten sich die cleveren Geschäftsleute und Kraftmenschen eine Frau am Moskauer Leninski-Prospekt 101, überwiesen ihr 250 Dollar im Monat, damit sie alle Anrufe an die Berliner oder Frankfurter Adresse weiterleitete.
Briefkastenfirmen zu führen, ist nicht unbedingt strafbar, doch wenn diese als Druckmittel eingesetzt werden und das Geldeintreiben die gesetzlichen Pfade verlässt, landet man vor dem Kadi. Für G. und seinen 37-jährigen Mitangeklagten Wolfgang M. war es gestern soweit. Sie sollen mit Terror versucht haben, angeblich ausstehende Gelder zu kassieren. Deshalb lautet die Anklage auf Nötigung und Sachbeschädigung. Vor Gericht wollen sich die Angeklagten nicht zu den Vorwürfen äußern. Ihr gutes Recht. Doch haftet Aussageverweigerung immer der Geruch an, etwas verschweigen zu wollen.
Von der Friedrichstraße 95 aus trieben die Angeklagten und weitere bekannte und unbekannte Mittäter ihr Unwesen. Einmal ging es um 84543,20 Mark, zuzüglich 4861,23 Mark Inkassogebühr. Den vermeintlichen Gläubiger setzten sie massiv unter Druck, zerstachen ihm laut Anklage die Autoreifen und hängten danach einen abgehäuteten Schafskopf »als letzten Gruß«, mit einem Draht durch die Augenhöhlen befestigt, an die Wohnungstür. Bei einem anderen forderten sie 118732,74 Mark plus 6826,40 Mark Inkassogebühr. Da wurde im Hause fotografiert, es gab Telefonate mit dem Ruf: »Deine Zeit ist abgelaufen«, es wurden Fotos zugestellt mit einem roten Rand um den Kopf. Es wurde bedeutungsschwer Russisch gesprochen und mit einer »Zentrale« in Moskau telefoniert. So sollten die angeblichen Gläubiger weichgeklopft werden. Selbst der freundliche Blick zur minderjährigen Tochter hatte Funktion. Bei Nichtzahlung drohten die kräftigen Herren harte Folgen für den Schuldner an, die dieser selbst zu verantworten hätte. Das wurde in die dezente Formel gekleidet, Nichtzahlen »hat zur Folge, dass wir uns nun sehr selektiert mit Ihnen auseinander setzen«. Offene Drohungen sind nirgendwo zu finden, im Schriftverkehr drückten sich die Möchtegernmafiosi vorsichtig aus. Da waren Profis am Werke, die (fast) jede Kleinigkeit bedacht hatten.
Doch die Schuldner ließen sich nicht erpressen und informierten die Polizei. Die setzte nach drei Jahren der Inkassofirma »Sewastopol« ein Ende. Nun wird es von den Zeugen in den nächsten Prozesstagen abhängen, wie beweiskräftig sie die Bedrohungen schildern können. Denn das freundliche Streicheln eines Mädchens in der Wohnung eines Gläubigers könnte von den Verteidigern als besondere Kinderliebe der Angeklagten aus...
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