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Fink weist alle IM-Vorwürfe zurück
Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten der PDS
Die späte Rache der Stasi trifft diesmal Heinrich Fink. Der für die PDS gewählte Bundestagsabgeordnete weist den Verdacht zurück, als Informeller Mitarbeiter (IM) für Mielkes Truppe gearbeitet zu haben.
In dieser Woche wurde ein Mehrheitsbeschluss veröffentlicht. »Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss) hat in seiner 54.Sitzung (...) mit der erforderlichen Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder eine inoffizielle Tätigkeit des Abgeordneten Dr. Heinrich Fink für das Ministerium für Staatssicherheit als erwiesen festgestellt.« Derartige Mehrheitsbeschlüsse des Bundestagsausschusses gab es auch zu anderen Abgeordneten. Die Ausschussmehrheit räumt zwar ein, dass weder Verpflichtungserklärungen noch irgendwelche Berichte aus der Hand des PDS-Abgeordneten aufzufinden sind. Sie hängt ihren Beschluss vor allem an drei Punkten auf. In Stasi-Akten taucht mehrfach der Deckname »Heiner« auf. Der wird vom Ausschuss der Einfachheit halber mit Heinrich (Heiner) Fink gleichgesetzt. Laut Ausschussmehrheit soll Fink 1984 die Verdienstmedaille der NVA in Gold erhalten haben. Die Unterschrift für den entsprechenden Befehl trage den Namen Mielke. Schließlich werden Vorgänge während der Prügelei der Stasi gegen Oppositionelle vor der Gethsemanekirche (Berlin, Prenzlauer Berg) am 8.Oktober 1989 zu Ungunsten von Fink ausgelegt. Fink, dem vom Arzt mehrere Verletzungen nach dem Knüppeleinsatz attestiert wurden, soll zu einem Stasi-Major gesagt haben: »Ich arbeite doch auch für Euch«. Der Abgeordnete verweist darauf, dass zu dieser Stunde ein »Tohuwabohu« herrschte. Sein Sohn sei bereits in einem Bus gewesen, um von der Stasi in das Rummelsburger Gefängnis gebracht zu werden. Seine Tochter habe am Boden gelegen. Er könne sich nicht mehr daran erinnern, was er in dieser Lage gesagt habe. Er hält aber den Satz für einen Entlastungsversuch des ihn vernehmenden Stasi-Offiziers. Außerdem erklärt Fink, dass er wenige Tage später Strafanzeige gegen die Prügler wegen des »Verdachts einer vorsätzlichen Körperverletzung und wegen des Verdachts einer Beleidigung« stellte. Beides passe wohl nicht zusammen, sagt Fink. Eine Verdienstmedaille der NVA habe er nie erhalten, sagt Fink. Wohl aber am 1.Mai 1989 den Vaterländischen Verdienstorden in Bronze. Der wurde von staatlichen Stellen verliehen. Die Berliner Staatsanwaltschaft stützte im April 1996 Heinrich Finks Ansicht, dass er ohne sein Wissen von der Stasi abgeschöpft wurde. Am 3.April 1996 schrieb die Staatsanwaltschaft: »Die Ermittlungen haben nicht mit der erforderlichen Sicherheit den Nachweis gebracht, dass Prof. Dr. Fink wissentlich IM war.« Die vernommenen Zeugen hätten angegeben, dass Fink abgeschöpft wurde: »Diese Angaben konnten nicht widerlegt werden.« Für die Aktenvernichtung der Stasi im Fall Fink dachte sich die Mehrheit des Bundestagsausschusses eine erstaunliche Theorie aus. Mit Auftrag vom 4.12.1989 seien die Fink-Daten der Stasi am 11.12.1989 (Seite 7 des Ausschussberichts) gelöscht und die Stasi-Akten am gleichen Tag vernichtet worden. An anderer Stelle heißt es im Bundestagsbericht, dass bereits am 4.11.1989 (Seite 16 des Berichts) angewiesen wurde, die IM-Akte »Heiner« zu vernichten. Das war drei Tage nach dem angeblichen Beschluss, IM Heiner ein Sachgeschenk in Höhe von 500 Mark zu übergeben. Daraus schlussfolgerte die Ausschussmehrheit, dass Fink mit der Aktenvernichtung vor späterer Verfolgung geschützt werden sollte. Am 4.11.1989 und in den Wochen danach hatte noch nicht einmal der damalige Regierungschef Helmut Kohl die Absicht, die DDR zu übernehmen (siehe Besuch Kohls in Polen). Die Mauer wurde erst am Abend des 4.November geöffnet. Professor Fink zeigt noch auf die Zeugenaussage von Bernd Heinrich aus Halle, die ihn entlaste. Der sei von den Stasi-Offizieren Roßberg und Wiegand schon mal als Heinrich, Heini oder Heiner angesprochen worden. Das sagte der frühere MfS-Mann 1997 vor dem Berliner Amtsgericht Tiergarten aus. Er habe auch an Veranstaltungen des Kirchentages Berlin-Brandenburg teilgenommen und telefonisch Lageberichte übermittelt. Roßberg und Wiegand werden als zuständige Stasi-Offiziere im Zusammenhang mit IM Heiner genannt. Eine pikante Wende am Rande vollbrachte der FDP-Abgeordnete Jörg van Essen. Der hat vor reichlich vier Jahren gegen den Mehrheitsbeschluss desselben Ausschusses zu Gregor Gysi gestimmt. Damals sagte van Essen, nur Beweise, nicht Vermutungen sollten zu einem Beschluss führen. Im Fall Heinrich Fink wurde die Untersuchung auf Antrag von van Essens eingeleitet. Im Herbst 1998 verlor die FDP einen sicher geglaubten Platz im Bundestag, weil das Endergebnis zu Gunsten der PDS korrigiert wurde. Das fällige Mandat erhielt Heinrich Fink. Die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« stellte fest, dass Fink ab April 1990 nicht nur der erste frei gewählte Rektor der Humboldt-Uni seit 1945 war. Er sei auch ein »ungemein populärer Rektor« gewesen. Fink sagt, dass er sich in dieser Zeit selbst wegen Stasi-Mitarbeit überprüfen ließ. Er habe den Bescheid bekommen, dass über ihn nichts vorläge. Erst als die Neuwahl in der Humboldt-Uni angesetzt wurde, sei der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen »mit der Behauptung der IM-Tätigkeit hervorgetreten«. Studenten protestierten w...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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