Der Mann, der Puppen baut

Günter Weinhold schnitzt seit 25 Jahren Marionetten

  • Meta Werner
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenn Günter Weinhold unter Stress steht, schaukelt er ihn einfach weg. Man muss sich das so vorstellen: Der kräftige Mann setzt sich auf ein schmales Brett, das an dicken Seilen von seiner Werkstattdecke hängt. Mit geschlossenen Augen schwingt er ein paar Mal hin und her. Dabei wirbeln Holzspäne durch die Luft, und Weinhold pendelt langsam aus. Wie immer, wenn er unter Termindruck steht, geht es nach diesem Ritual an »den letzten Schliff«. Der 51-Jährige begutachtet die Märchen- und Fabelwesen, an denen er in den letzten Wochen arbeitete. Er vergleicht die Figuren mit den Skizzen, überprüft den Gesichtsausdruck, greift mitunter wieder zum Schnitzmesser und zieht manchmal auch einige Fäden nach. Und dann lässt er die Puppen tanzen. Rotkäppchen mit dem Wolf, Dornröschen und den Prinzen, Hänsel und Gretel. Gemeinsam mit seiner Frau Barbara baut der Köpenicker seit 25 Jahren die verschiedensten Puppen: Hand- und Stabfiguren, Marionetten, aber auch bis zu drei Meter große Drachenköpfe. »Wir machen alles, was sich auf der Bühne bewegt«, sagt der Künstler. Zu seinen Kunden gehören Theater in Berlin, Dresden, Halle, Braunschweig und Zürich. Etwa 1400 unterschiedliche Gestalten wurden mittlerweile in der Werkstatt der Weinholds geboren. Dabei herrscht bei den studierten Theaterplastikern strenge Arbeitsteilung. Während Barbara Weinhold die ersten Ideenskizzen entwirft und später auch die Kleidung näht, schnitzt er jedes einzelne Körperteil und bemalt es. Unterschiedlich ist die Ausstattung der Marionetten. Sollen sie beispielsweise in einer Oper mitspielen, werden die Fäden nur an Fingern, Füßen, Po, Hals und Armen befestigt. »Weil sich diese Puppen nicht so viel bewegen«, erklärt Weinhold. Bei »kämpferischen Inszenierungen« stützt er seine Figuren zusätzlich mit Stäben. Einen besonderen Liebling hat er nicht unter seinen hölzernen Gesellen. Doch manchmal ist er schon ein wenig traurig, wenn er sie weggibt. Deshalb bemüht er sich, bei jeder Premiere dabei zu sein. Vor einigen Monaten war er im Leipziger Jugendtheater bei »Dornröslein«, und im Carrouseltheater an der Parkaue konnte er »Komm wir finden einen Schatz« mit den Janosch-Figuren miterleben. Für ihn ist es jedes Mal der schönste Augenblick, wenn die Puppenspieler den Figuren Leben einhauchen. Dieses Zusammenspiel von Mensch und Holzfigur fasziniert Weinhold an seiner Arbeit. In den letzten Jahren ist sie vielseitiger geworden. Er gestaltete unter anderem einige Wachsfiguren. Seine wohl berühmteste war in dem inzwischen geschlossenen »Panoptikum« am Kurfürstendamm zu sehen: das Double von Udo Lindenberg. Auch am ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker hat sich der Berliner versucht. Doch bevor er ihn irgendwo ausstellt, will er den bekannten Politiker noch einmal überarbeiten. Bis dahin bleibt er im Gästezimmer der Familie und sorgt erstaunt die Besucher. Weinhold selbst gefallen am meisten die robusten Typen. Und er träumt davon, irgendwann Figuren aus einem Stück in dicke Baumstämme zu schlagen. Er würde auch gern einmal selbst mit einer Marionette auf der Bühne stehen. »Am liebsten mit meiner Tochter«, sagt er. Denn sie ist Puppenspielerin.

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