Wenn die Versicherung zu spät zahlt
Geldbranche macht gute Geschäfte mit schlechter Zahlungsmoral / Geschädigte Kunden sind im Recht
Unter schlechter Zahlungsmoral leidet nicht nur der Mittelstand. Auch Versicherte müssen oft lange warten, bis die Assekuranz Schäden reguliert. Ein gutes Geschäft für die Versicherungen.
Nikolaus K. aus Pulheim bei Köln hatte von seiner Lebensversicherung die Nase voll. Die Police mit der Nummer 1284470617 bei der Volksfürsoge kündigte er zum 31.Dezember 2001. Aber die Volksfürsorge hatte es nicht eilig mit der Auszahlung. Erst am 2.Februar 2002 hatte Nikolaus K. seinen Scheck, bis zur Gutschrift vergingen weitere fünf Tage. Erbost schrieb er nach Hamburg: »Für Sie sind das für 37 Tage Zinsen, die Sie von meinem Geld erhalten! Bei einem Dispositionskredit von 14Prozent habe ich dadurch einen Verlust von 90,80 Euro.« Die Volksfürsorge zeigte sich fürsorglich und zahlte die Verzugszinsen per Scheck.
Nikolaus K. beschwerte sich mit Erfolg, Millionen andere Versicherte nehmen es klaglos hin, wenn die Versicherung verspätet oder zu wenig zahlt, sind offenbar froh, wenn sie überhaupt Geld sehen. Dabei ist die Rechtslage eindeutig: Das Versicherungsgesetz erlaubt eine Frist »zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung« von nicht mehr als 30 Tagen. Verbraucher sollten es deshalb nicht hinnehmen, wenn die Assekuranz einen Fall länger als einen Monat prüft, sagt Frank Braun, Geschäftsführer des Bundes der Versicherten (BdV).
Geprüft, begutachtet und nochmal geprüft
Nach BdV-Erfahrungen kommt es vor allem bei der Regulierung von Schäden in der Haftpflicht-, Kfz- und Hausratversicherung sehr häufig zu Zahlungsverzögerungen. Frank Braun: »Es werden oft Dinge geprüft, die nicht zu prüfen sind, oder Gutachter mehrmals losgeschickt.« Unabhängig davon tritt aber nach 30 Tagen Verzug ein - wie bei jeder anderen unbezahlten Rechnung auch. So schreibt es das »Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen« vor. Der Gläubiger darf einen Monat nach Fälligkeit Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozent über dem aktuellen Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) - derzeit: 3,25Prozent - verlangen oder, wenn er selbst Kreditzinsen zahlen musste, noch höhere Zinsen geltend machen. Verbraucherschützer raten, bei einer schleppenden Versicherungsabwicklung die Verzugszinsen in Rechnung zu stellen, Fristen zu setzen und, wenn die Schuldfrage geklärt ist, Abschlagszahlungen zu verlangen. Außerdem weisen sie darauf hin, dass Klauseln in Verträgen, mit denen sich die Versicherer Verzugszinsen ausschließen, unwirksam sind. Der Verbraucher kann seine Ansprüche nur dann verlieren, wenn er die Klärung des Versicherungsfalles behindert.
Die Assekuranz rechtfertigt ihre schlechte Zahlungsmoral mit intensiven Prüfungen und Erhebungen, um unberechtige Ansprüche zum Wohle aller Kunden abzuwehren. Einige Versicherer bieten ihren Kunden eine »Leistungs-Verzinsungsgarantie«, wenn es zu Verzögerungen bei der Auszahlung kommt. Der Discount-Versicherer Ontos etwa zahlt in der Kfz-Versicherung »eine 5,5-prozentige Verzinsung der jeweils geschuldeten Versicherungsleistung ab Eintritt des Versicherungsfalles bis zur Überweisung«.
Allerdings sind nur wenige Versicherer derart kulant. Kritiker meinen, das Motiv für die maue Zahlungsmoral ist im Endeffekt immer Geld. Denn Kleinvieh macht auch Mist. BdV-Mann Frank Braun: »Durch die Verzögerung von Auszahlungen machen die Versicherungen jedes Jahr Millionengewinne.« Die Gesamtbranche reguliert derzeit pro Jahr Schäden in Höhe von rund 40 Milliarden Euro. Zahlen sie im Schnitt drei Monate später aus, hätten sie bei einer durchschnittlichen Verzinsung von vier Prozent immerhin 400 Millionen Euro verdient.
Zermürbungstaktik der Assekuranz
Hans-Jürgen Gebhard, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein, sieht einen weiteren Grund für die verspätete Zahlung: »Es gibt Versicherer, die über eine längere Zeit grundsätzlich gar nicht und in der Regel nur unzureichend zahlen - in der Absicht, den Geschädigten zu zermürben. Mit der Zeit schaffen sie die meisten Geschädigten auch.« Privatpersonen können sich den Rechtsweg durch mehrere Instanzen oft nicht leisten. Manche Versicherer spekulieren so auf ein »gütliches« Vergleichsangebot. Dabei wird der Geschädigte mit »Peanuts« abgespeist.
Vor Gericht stehen ihre Chancen aber nicht schlecht. In einem wegweisenden Urteil entschied schon 1997 der Bundesgerichtshof, dass eine Versicherung den Zinsschaden ersetzen muss, wenn sie zu spät auszahlt. Zwei Brüder hatten einen Kredit aufgenommen und zur finanziellen Absicherung eine Risikolebensversicherung abgeschlossen. Einer der Brüder kam dann bei einem Motorradunfall um. Sein Bruder wollte mit der Police das Darlehen tilgen. Der Versicherer ließ sich 21 Monate Zeit mit der Auszahlung. Der Kläger forderte Ersatz für den entstandenen Zinsschaden und erhielt Recht.
Zuweilen wird die Verzögerungstaktik noch teurer. Als eine 82-Jährige nach einem Verkehrsunfall zum Pflegefall wurde, zögerte die Versicherung der Gegenpartei die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 4000 Mark immer wieder heraus. Begründung: Die altersbedingte Demenz der Dame habe den Unfall mitverursacht. Das Landgericht Schwerin sah dies anders und stockte das Schmerzensgeld 1999 auf. Wegen »unzulänglichem Regulierungsverhalten« wurde die Versicherung zur Zahlung von 50000 Mark verurteilt.
Hilfestellung bei Streitfällen: Versicherungsombudsmann e.V., Postfach 060832, 10006 Berlin, Tel.: (01804)224424, www.versicherungsombudsmann.de
Ombudsmann bei privaten Krankenversicherungen, Leipziger Straße 104, 10117 Berlin, T...
Nikolaus K. beschwerte sich mit Erfolg, Millionen andere Versicherte nehmen es klaglos hin, wenn die Versicherung verspätet oder zu wenig zahlt, sind offenbar froh, wenn sie überhaupt Geld sehen. Dabei ist die Rechtslage eindeutig: Das Versicherungsgesetz erlaubt eine Frist »zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung« von nicht mehr als 30 Tagen. Verbraucher sollten es deshalb nicht hinnehmen, wenn die Assekuranz einen Fall länger als einen Monat prüft, sagt Frank Braun, Geschäftsführer des Bundes der Versicherten (BdV).
Geprüft, begutachtet und nochmal geprüft
Nach BdV-Erfahrungen kommt es vor allem bei der Regulierung von Schäden in der Haftpflicht-, Kfz- und Hausratversicherung sehr häufig zu Zahlungsverzögerungen. Frank Braun: »Es werden oft Dinge geprüft, die nicht zu prüfen sind, oder Gutachter mehrmals losgeschickt.« Unabhängig davon tritt aber nach 30 Tagen Verzug ein - wie bei jeder anderen unbezahlten Rechnung auch. So schreibt es das »Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen« vor. Der Gläubiger darf einen Monat nach Fälligkeit Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozent über dem aktuellen Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) - derzeit: 3,25Prozent - verlangen oder, wenn er selbst Kreditzinsen zahlen musste, noch höhere Zinsen geltend machen. Verbraucherschützer raten, bei einer schleppenden Versicherungsabwicklung die Verzugszinsen in Rechnung zu stellen, Fristen zu setzen und, wenn die Schuldfrage geklärt ist, Abschlagszahlungen zu verlangen. Außerdem weisen sie darauf hin, dass Klauseln in Verträgen, mit denen sich die Versicherer Verzugszinsen ausschließen, unwirksam sind. Der Verbraucher kann seine Ansprüche nur dann verlieren, wenn er die Klärung des Versicherungsfalles behindert.
Die Assekuranz rechtfertigt ihre schlechte Zahlungsmoral mit intensiven Prüfungen und Erhebungen, um unberechtige Ansprüche zum Wohle aller Kunden abzuwehren. Einige Versicherer bieten ihren Kunden eine »Leistungs-Verzinsungsgarantie«, wenn es zu Verzögerungen bei der Auszahlung kommt. Der Discount-Versicherer Ontos etwa zahlt in der Kfz-Versicherung »eine 5,5-prozentige Verzinsung der jeweils geschuldeten Versicherungsleistung ab Eintritt des Versicherungsfalles bis zur Überweisung«.
Allerdings sind nur wenige Versicherer derart kulant. Kritiker meinen, das Motiv für die maue Zahlungsmoral ist im Endeffekt immer Geld. Denn Kleinvieh macht auch Mist. BdV-Mann Frank Braun: »Durch die Verzögerung von Auszahlungen machen die Versicherungen jedes Jahr Millionengewinne.« Die Gesamtbranche reguliert derzeit pro Jahr Schäden in Höhe von rund 40 Milliarden Euro. Zahlen sie im Schnitt drei Monate später aus, hätten sie bei einer durchschnittlichen Verzinsung von vier Prozent immerhin 400 Millionen Euro verdient.
Zermürbungstaktik der Assekuranz
Hans-Jürgen Gebhard, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein, sieht einen weiteren Grund für die verspätete Zahlung: »Es gibt Versicherer, die über eine längere Zeit grundsätzlich gar nicht und in der Regel nur unzureichend zahlen - in der Absicht, den Geschädigten zu zermürben. Mit der Zeit schaffen sie die meisten Geschädigten auch.« Privatpersonen können sich den Rechtsweg durch mehrere Instanzen oft nicht leisten. Manche Versicherer spekulieren so auf ein »gütliches« Vergleichsangebot. Dabei wird der Geschädigte mit »Peanuts« abgespeist.
Vor Gericht stehen ihre Chancen aber nicht schlecht. In einem wegweisenden Urteil entschied schon 1997 der Bundesgerichtshof, dass eine Versicherung den Zinsschaden ersetzen muss, wenn sie zu spät auszahlt. Zwei Brüder hatten einen Kredit aufgenommen und zur finanziellen Absicherung eine Risikolebensversicherung abgeschlossen. Einer der Brüder kam dann bei einem Motorradunfall um. Sein Bruder wollte mit der Police das Darlehen tilgen. Der Versicherer ließ sich 21 Monate Zeit mit der Auszahlung. Der Kläger forderte Ersatz für den entstandenen Zinsschaden und erhielt Recht.
Zuweilen wird die Verzögerungstaktik noch teurer. Als eine 82-Jährige nach einem Verkehrsunfall zum Pflegefall wurde, zögerte die Versicherung der Gegenpartei die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 4000 Mark immer wieder heraus. Begründung: Die altersbedingte Demenz der Dame habe den Unfall mitverursacht. Das Landgericht Schwerin sah dies anders und stockte das Schmerzensgeld 1999 auf. Wegen »unzulänglichem Regulierungsverhalten« wurde die Versicherung zur Zahlung von 50000 Mark verurteilt.
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