Bestahl kämpft ums Überleben
Nach fast einem Jahrhundert Stahlbau in Berlin in Weiterbildung geschickt
Bestahl fertigte mehrere Brückenkonstruktionen wie die Oberbaumbrücke und die Sandkrugbrücke in Berlin. Aber auch klassische Kuppel- und moderne Fassadenkonstruktionen wurden von dem traditionsreichen Unternehmen ausgeführt. Die Sanierung des Berliner Doms, der Jüdischen Synagoge und des Deutschen und Französischen Doms am Gendarmenmarkt sowie der Bayrischen Staatskanzlei in München sind herausragende Referenzen. Langjährige Marktpräsenz und Kompetenz im Stahl- und Metalleichtbau, qualifiziertes Personal und der Einsatz moderner Fertigungstechnik verschafften der Firma Wettbewerbsvorteile. Ebenso ein hervorragendes Qualitätsmanagement: Bestahl ist eines der wenigen Unternehmen in Deutschland, die z.B. die höchste DIN-Norm für den Brückenbau erfüllt. Dennoch: Die letzten großen Stahlbauer der Hauptstadt stehen vor dem Aus. Der Betriebsrat hat den Kampf ums Überleben eingeläutet.
Der älteste Hinweis zum Stahlbau in der Herzbergstraße stammt aus einer Grundbucheintragung von Berlin-Lichtenberg aus dem Jahr 1904: Eine Eisenhoch- und Brückenbaufirma wurde gegründet. Die Namen und Standorte des Unternehmens wechselten über die Jahrzehnte mehrfach. 1990 wurde schließlich das ehemalige VEB Metalleichtbaukombinat Werk Berlin in Bestahl Stahlbau GmbH Berlin umbenannt. Im Juni 1996 wurde sie als eine der letzten Berliner Treuhand-Unternehmen privatisiert. Die Bereiche Betonformenbau, Stahlhoch- und Komplettbau gingen an die MACON BAU Unternehmensgruppe über. Doch der »Mutterkonzern« musste im Juni 2002 Insolvenz anmelden. MACON habe Wort gehalten und seinerzeit alle 100 Mitarbeiter übernommen, erklärte der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Mario Zierau im ND-Gespräch. Sie wurden bis vor kurzem bei Bestahl an der Hohenschönhausener Ferdinand-Schultze-Straße beschäftigt. Trotz der MACON-Insolvenz hätten die Bestahl-Mitarbeiter in Schichten gearbeitet, um das hoffentlich nicht letzte Meisterstück - die Sanierung der Fußgängerbrücke »Blaues Wunder« am Lehnitzsee bei Oranienburg - termingerecht fertig zu stellen. Das brachte erst einmal 270000 Euro in die leere Betriebskasse. Der vom Amtsgericht Charlottenburg nach der MACON-Pleite bestellte Insolvenzverwalter beschaffte zudem 500000 Euro Insolvenzgeld von den Banken - einen Investor hat er aber noch nicht gefunden. Den Mitarbeitern konnte endlich Lohn gezahlt werden.
Inzwischen sei man von der fqb Transfergesellschafts-GmbH mit Hauptsitz in Brandenburg an der Havel »aufgefangen« worden. 52 der 100 Arbeitsplätze wurden vorerst gerettet. Den anderen Mitarbeitern musste gekündigt werden. Werkstattleiter Zierau: »Haben wir Restaufträge zu erledigen, wird gearbeitet. Ansonsten bietet fqb Weiterbildungskurse an.« Oder die Betriebshallen würden gereinigt.
An den Wochenenden fahren Zierau und Kollegen von Brandenburg bis nach Bayern, immer auf der Suche nach Aufträgen und Geldgebern. Ein schwieriges Unterfangen. Inzwischen hat man die Produktpalette erweitert. Aufzugskonzepte für die Modernisierung typisierter Platten- und Altbauten wurden entwickelt. Trendsportanlagen werden angeboten. Auch Parkdecks zur Linderung der Parkplatznot in Wohngebieten. Ebenso Stahlformen und Stahlschalungen für den Wohnungs- und Industriebau. Reißen alle Stricke, will man sich selbstständig machen. Aber nicht mit allen Verbliebenen, räumt Zierau ein. Das könne keiner bezahlen. Der Staat sei schuld an der Misere, sagt er. Und nennt das Beispiel Lehrter Bahnhof. Zig Tonnen Stahl wurden verbaut. Von der Konkurrenz aus dem Ostblock mit den bekannten Dumpingpreisen. Zierau: »Die Regierung muss den Mittelstand in Berlin-Brandenburg fördern. Arbei...
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