Bei Anruf Mord

Berühmt-berüchtigte Kriminalfälle

  • Frank-Rainer Schurich
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.
Sich dem Zugriff der Polizei entziehen zu können, davon träumen viele Ganoven, wenn sie denn auf den Fahndungslisten angekommen sind. Doch sie haben schlechte Karten. Zielfahnder sind ihnen unerbittlich auf der Spur. Und von eben solchen Verbrecherjagden erzählt dieses Buch. Während sich Wolfgang Schüler (Ost), Rechtsanwalt, Bürgermeister und Verfasser zahlreicher Sachbücher und Kriminalromane, von der schreibenden Zunft her dem Thema genähert hat, trägt Wilfried Zoppa (West), Berliner Hauptkommissar i. R., eher den praktischen Teil zum Gesamtwerk bei. Er arbeitete viele Jahre in der Personenfahndung und weiß, wie Menschen aufzuspüren und wie sie zu schützen sind. Als Bodyguard von Axel Springer, Richard von Weizsäcker und Queen Elizabeth II. verfügt er über einmalige Erfahrungen. In sieben Kapiteln und sieben Intermezzi begegnen uns Kriminelle aller Couleur, die seit 1990 Deutschland unsicher gemacht haben: Zurwehme, Schmökel, Drach & Co. Veranschaulicht durch Presse- und Polizeifotos, Steckbriefe und Vernehmungsprotokolle, erfährt der Leser Einzelheiten über berühmt-berüchtigte Fälle, die die Öffentlichkeit lange in Atem hielten. Das Buch liest sich in erster Linie wie eine Anklageschrift. Angeklagt wird der Staat, der über weite Teile nicht in der Lage ist, die Öffentlichkeit vor hochgefährlichen Verbrechern zu schützen. Fast alle Akteure, über die berichtet wird, konnten sich erfolgreich aus dem Staub machen: Flucht aus dem Justizvollzug, aus der Untersuchungshaft oder aus Resozialisierungsprojekten. Rückfalltäter, die von Psychiatern als »geheilt« entlassen worden sind. Fazit: Die meisten Opfer, von denen die Geschichten erzählen, könnten heute noch leben. Ein Beispiel gibt die Geschichte »Bei Anruf Mord«: Im Lindencenter in Berlin-Hohenschönhausen trifft das Opfer seinen Mörder - und wird wenig später mit Kopfschuss hingerichtet. Weil ein Psychologe an das Gute im Menschen geglaubt hatte, war der Mörder auf einen Pferdehof in die Uckermark zur Resozialisierung geschickt worden, wo er es ganze zwei Tage aushielt. Trotz der sympathischen Autorenschaft - ein Ost-West-Buch ist es leider nicht geworden. Über die Kripo-Kollegen aus der DDR, die nach Wende und Vereinigung zur Westpolizei stießen, wird höchstens gescherzt (»Ostbirnen«!). Schade. Am Ende liest man, dass die Hälfte der 60 Berliner Superfahnder dem offiziell hochgelobten, aber jetzt schon vollends gescheiterten Berliner Polizei-Modell geopfert werden soll. Schutzpolizisten und Kripobeamte in den örtlichen Direktionen werden dann die weltweiten Fahndungsaufgaben übernehmen - oder auch nicht. Es ist das Verdienst der Autoren, auch auf solche Missstände zu verweisen. Wolfgang Schüler/Wilfried Zoppa: Zugriff. Im Visier der Fahnder....

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