Geniale Rivalen

Peter Prange: »Die Principessa«

  • Peter L. Zweig
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.
Die Piazza Navona gilt als der schönste Platz Roms. Sie befindet sich auf dem Grundriss eines antiken Stadions und ist nicht zuletzt durch ihre drei wunderschönen Brunnenanlagen bekannt. Berühmt ist vor allem die Fontana dei Fiumi, der Vierströmebrunnen. Gebaut wurde er von 1648 bis 1651 von Giovanni Lorenzo Bernini (1598-1680). Die vier Figuren verkörpern die Flussgötter der damals bekannten Erdteile: Nil (Afrika), Donau (Europa), Ganges (Asien) und Rio de la Plata (Amerika). Die eine Langseite des Platzes wird von dem Palazzo Pamphili und der sich anschließenden Kirche Sant' Agnese dominiert, deren Fassade von Francesco Borromini (1599-1667) stammt. Schaut man von der Seite auf das Ensemble, so sieht man, dass der »Nil« die Augen verbunden hat, als wolle er die Fassade von Sant' Agnese nicht sehen, und der ausgestreckte Arm des »Rio de la Plata« scheint vor einem drohenden Einsturz des sakralen Bauwerks warnen zu wollen. Zufall oder Absicht? Viele Reiseführer behaupten: Absicht! Hier manifestiere sich die Rivalität der beiden Baumeister; Bernini habe Borromini damit verspotten wollen. Das stimmt wohl nicht, denn mit dem Wiederaufbau von Sant' Agnese wurde erst 1652 begonnen, als der Vierströmebrunnen bereits vollendet war. Dennoch enthält die Anekdote einen wahren Kern, verweist sie doch auf die fast lebenslange Rivalität zwischen den beiden großen Baumeistern des römischen Barocks. Mit seinem neuen Roman »Die Principessa« hat Peter Prange (geb. 1955) eine große Aufgabe glänzend bewältigt: Er hat die Geschichte des neuzeitlichen Rom in seiner glänzendsten Epoche, als »Hauptstadt der Welt« im 17.Jahrhundert, geschrieben. Genial daran ist, dass er mit einer einzigen Kunstfigur auskommt: Die titelgebende »Principessa« Clarissa McKinney, geborene Whetenham, hat es nicht gegeben. Alle anderen Personen sind historisch verbürgt; Prange hat lediglich durch kleine Manipulationen nachgeholfen, sie zueinander in Beziehung zu setzen. Das erfundene Leben der Principessa zieht sich als roter Faden durch die Handlung. Sie kommt auf der für adlige Damen üblichen Bildungsreise nach Rom, in Begleitung ihres Hauslehrers, und wohnt bei ihrer Cousine Donna Olimpia Pamphili. Als an Kunst und Architektur Interessierte lernt sie bald den Baumeister Bernini und seinen Assistenten Castelli (der sich später Borromini nennt) kennen. Sie begreift, dass diese beiden genialen jungen Leute jeder für sich Großes, gemeinsam jedoch Größtes erreichen können und versucht, eine Freundschaft zu stiften. Doch zu verschieden sind die Charaktere: Da ist der agile Bernini, ein Spieler und Frauenheld, auf Karriere bedacht und nicht immer fein in der Wahl seiner Mittel. Und da ist der verschlossene Borromini, grundehrlich, verletzlich, gründlich, ein Melancholiker. Bernini ist ihm immer einen Schritt voraus, bei den Frauen, den Bauaufträgen, beim Geldverdienen. Nur wenn Bernini fachlich versagt oder gerade in Ungnade bei den kirchlichen oder weltlichen Herrschern gefallen ist, schlägt Borrominis Stunde. Doch Bernini fällt immer wieder auf die Füße. Als der Auftrag für den Brunnen auf der Piazza Navona ausgeschrieben wird, stiehlt er Borrominis Idee der vier Ströme, gießt ein Modell in Silber, wird mit Hilfe Donna Olimpias beim Papst lanciert - und erhält den Zuschlag. Borromini rächt sich, indem er die Herausgabe technischer Unterlagen verweigert, muss aber dann doch zusehen, wie Bernini einen weiteren Triumph feiert. Immer wieder wird Borromini gedemütigt und geistig bestohlen, bis er alle seine Entwürfe und Unterlagen verbrennt und sich selbst ins Schwert stürzt. Er stirbt, jedenfalls im Roman, in den Armen Clarissas. Mit Pranges »Principessa« erleben wir das barocke Rom in all seinen Facetten. Machtfülle und Unterdrückung, Intrigen, Sittenlosigkeit und Liebeshändel, Armut und Verschwendung, Seuchen und politische Kämpfe prägen die »ewige Stadt«, von deren einstiger Größe sich auch der heutige Besucher noch einen Eindruck verschaffen kann. Ein Stück Kulturgeschichte, ein Bildungserlebnis, ein spannendes Buch - schade nur, dass der Verlag so einen unpassenden Umschlag darumgelegt hat. Peter Prange: Die Principessa...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.

- Anzeige -
- Anzeige -